Lost Places – Lucerne

Format
Bericht
Lesedauer
3 Minuten
Veröffentlicht am
4. Oktober 2021 im Print

Es gibt sie auch in Luzerner Fussdistanz: Orte und Gebäude aus einer anderen Zeit. Einige haben ihre besten Tage hinter sich. Manche bewahren den Glanz der Vergangenheit. Andere warten vergeblich darauf, benutzt zu werden. Ein Rundgang. 

Text und Bilder: Mateo Landolt, Philosophy, Politics and Economics
Bild Sonnenbergtunnel: Werner Hauser, Stiftung Industriekultur Winterthur

Wenn ein Krematorium stirbt

Im Nordwesten der Stadt, eingebettet zwischen Reuss, dem Luzerner Kantonsspital und einem Waldstück, liegt der Friedhof Friedental. Es ist ein ruhiger, grüner und andächtiger Ort. Doch am hinteren Ende des Areals sticht einem ein prächtiges Gebäude ins Auge: Das alte Krematorium. Die erhöhte Lage und die symmetrischen Säulen verleihen der Stätte etwas Pompöses, der umliegende Garten stimmt besinnlich, die Geschichte des Ortes macht nachdenklich. Von 1925 bis 2005 wurden hier die Feuerbestattungen im Untergeschoss vollzogen. Seither steht nur wenige Schritte entfernt ein modernes Krematorium, das den neuesten Anforderungen gerecht wird. Unter der markanten Kuppel des alten Gebäudes finden heute nur noch Abdankungen statt. Die Stadt und die Stiftung Luzerner Feuerbestattung suchen deshalb Interessierte mit neuen Verwendungszwecken. Ein schwieriges Unterfangen bei einem denkmalgeschützten Krematorium von nationaler Bedeutung. Wie die Luzerner Zeitung berichtete, fand bisher nur ein Teil der Anlage eine neue Bestimmung. In einem Aussenbereich wachsen seit dem letzten Jahr Bio-Kräuter. 

Anno 1807

Unweit der Spreuerbrücke befindet sich in der Altstadt ein schmucker Palast. Hohe Mauern und Gebüsche schützen das Gebäude vor neugierigen Blicken. Wer hineingelassen wird, macht eine Zeitreise. Fassade, Garten und die Innenausstattung versprühen einen Hauch von Versailles. 1709 erbaut, gehörte das Sommerpalais der einflussreichen Luzerner Patrizierfamilie Pfyffer von Wyher. Diese war eng mit dem Königreich Frankreich verbandelt und stellte über die Jahrhunderte etliche hohe Offiziere im französischen Heer. Seit 1807 gehört die Residenz der Gesellschaft Herren zu Schützen. Die Geschichte dieser Gesellschaft reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Einerseits fanden sich in ihr Luzerner Schützen zusammen, schreibt die Gesellschaft auf ihrer Webseite. Andererseits handelte es sich bei ihren Mitgliedern um die wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Stadt, sei es aus der Armee oder der Stadtregierung. Vom einstigen Einfluss ist im demokratischen Luzern von heute wenig übrig geblieben. Doch die Herren zu Schützen – alles männliche Nachkommen früherer Mitglieder – leben den gesellschaftlichen Aspekt weiter. In diesem majestätischen wie mysteriösen Palast am Löwengraben 24.

Eichwäldli – die letzte Staffel?

Der Kontrast zwischen dem Sommerpalais in der Altstadt und der alten Soldatenstube Eichwäldli könnte nicht grösser sein. Zwischen der Allmend und der Eichhofbrauerei steht dieses marode Gebäude aus dem Jahre 1935. Ausgefallene Illustrationen und vereinzelte Spruchbänder geben dem braunen Soldatenhaus und dem Absperrgitter etwas Farbe. Denn die kuriose Erscheinung ist seit mehr als drei Jahren ein Politikum. Eigentümerin ist die Stadt Luzern, die das Haus bis 2018 vermietet hat. Aufgrund von Einsturzgefahr und einer zu teuren Sanierung entschieden sich die Verantwortlichen für einen Abriss. Eine «Familie Eichwäldli» genannte Gruppe verlangte aber den Erhalt des Gebäudes und besetzte dieses. Nach zähen Verhandlungen und gestellten Ultimaten gaben die Hausbewohner*innen nach und verliessen die Soldatenstube Ende Juni. Weg frei für einen Neubau in guter Lage? Denkste! Aufgrund einer Beschwerde des Innerschweizer Heimatschutzes fahren im Eichwäldli noch keine Bagger auf. Wie es weitergeht, war bis zum Redaktionsschluss am 1. August noch nicht bekannt.

20’000 Menschen im Autobahntunnel

Eigentlich ist dieser Ort alles andere als «lost». Der Sonnenbergtunnel, zwischen der Reuss-Autobahnbrücke und der Ausfahrt Kriens, ist ein Nadelöhr im Schweizer Verkehr. 70’000 Fahrzeuge nutzen den Tunnel auf dem Weg ins Tessin und nach Italien, oder in die Deutschschweiz und bis nach Hamburg. Von 1976 bis 2006 war der Sonnenbergtunnel aber nicht bloss eine Autobahn, sondern auch einer der grössten Bunker der Welt. 20’000 Menschen hätte die Anlage zeitweise als Zuflucht dienen können. Einer Atombombe hätte der Bunker standhalten müssen, wie es auf der Webseite der Anlage heisst. Auch ein Notspital mit mehr als 300 Betten war an den Tunnel angeschlossen. Im Ernstfall wäre die Bevölkerung über die Tunneleingänge in den Bunker geströmt, bevor 350 Tonnen schwere Tore den Zugang versperrt hätten. Mit dem Ende des kalten Krieges verlor der Sonnenbergtunnel, wie so viele Bunker, an Bedeutung. Die hohen Unterhaltskosten und die veränderte Bedrohungslage führten schliesslich zum Ende seiner Nutzung als Zivilschutzanlage. Heute kann der Bunker rund um den Strassentunnel im Rahmen von Führungen besucht werden.

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