Riz Casimir: Wie es auf unseren Teller kam und wieso es wieder verschwinden sollte

Format
Mimimi
Veröffentlicht am
03. November 2023
Lesedauer
5 Minuten

Anna-Lena Beck, ehemalige PPE-Studentin

Sprechen wir über Schweizer Klassiker – über die Gerichte, welche hartgesottenen Eidgenoss:innen von Kindsbein an begleiten und ihre hungrigen Mägen füllen. An was denken wir? Käsefondue, Raclette mit Kartoffeln, G’hackets mit Hörnli, Älplermagronen, Zür(i)chergeschnetzeltes mit Rösti, Cervelat am Lagerfeuer, Bündner Capuns, Walliser Cholera, Chügelipastetli, Lozärner Birewegge und Zuger Kirschtorte… Köstlichkeiten, die wir ehren und von unseren Verwandten, Freund:innen  Mensaköch:innen und WG-Mitbewohner:innen vorsetzen lassen. Doch es gibt ein Schweizer Gericht, welches als kulinarische Nemesis in Auge fällt. Ein Gericht, über welches wir ein Mäntelchen des Schweigens kehren und dessen Verzehr wir abschwören sollten. Ein Gericht ohne Käse, Kartoffeln, Brot: Wie ist das nur möglich, wie kann das sein? Sprechen wir über Riz Casimir.

Wie es auf unsere Teller kam

Meinen zuverlässigen Quellen nach (quotes Wikipedia without regrets) ist Riz Casimir ein Schweizer Gericht aus Reis, geschnetzeltem Kalbsfleisch, Currysauce und Früchten. Es wurde in den 1950ern von der Mövenpick Restaurantkette auf die Karte genommen und erfreute sich bald nationaler Beliebtheit. Das Rezept landete in Betty Bossi Kochbüchern, wurde in den Küchen des Schweizer Militärs zubereitet und in Kochschulen gelehrt. Riz Casimir scheint für manchen Schweizer Bünzli bis zum heutigen Tag ein Synonym für «Curry» zu sein, ein Synonym für exotische Gerichte, für asiatische Kulinarik. Wenn das Fernweh packt, dann gibt es eben Riz Casimir – und danach lebt es sich wieder wunderbar in der rustikalen Heimatküche.

Wieso es wieder von unseren Tellern verschwinden sollte!

Zunächst meine eigene bescheidene, selbstverständlich absolut objektive Meinung zu Riz Casimir: Es ist einfach nur gruusig! Trockener Reis, überzuckerte Früchte aus der Dose und eine Sauce, für welche die Mutigsten unter uns in manchen Fällen sogar M-Budget Currypulver und Vollrahm zu mischen beginnen. Und, Gott bewahre, musste jemensch von euch schon einmal diese Saucenresten aus einem Tupperware oder einer Pfanne kratzen? Der Geruch bleibt, das Gelb bleibt, eine ewige Erinnerung an das eine Mittagessen, bei welchem diese kulinarische Sünde begangen wurde.

Des Weiteren, welcher Globi hatte die Idee n, Riz Casimir als «asiatisches, exotisches» Essen zu bezeichnen? Riz Casimir hat mit einem echten Curry so wenig zu tun wie Wikipedia mit einer seriösen Quelle! Change my mind! Es ist ein ganz merkwürdiger Versuch, eine fremde Länderküche mit der eigenen zu fusionieren. In den modernen Zeiten steht uns jeden Tag die Möglichkeit offen, richtiges Curry zu essen, mit roter, gelber, grüner Currypaste, mit Kichererbsen, Auberginen, Paprika, Ingwer, Knoblauch, Gewürznelken, Koriandersamen, mit all dem guten Dingen, aber nein, stattdessen werfen wir in unseren Einkaufskorb eine Dose Prix Garantie Dosenfrüchte in Sirup (am schlimmsten sind hierbei übrigens die Kirschen, dieses Pink macht direkt misstrauisch). Und manchmal, als wäre das alles nicht schlimm genug, braten diese Hobbyköch:innen Bananen an und klatschen sie auf den ohnehin unansehnlichen, kötzlig-gelben Brei drauf – die Diskussion um Ananas auf Pizza geht beim Riz Casimir auf jeden Fall in die nächste Runde.

Riz Casimir in der Mensa der Universität Lozärn

Unsere neumodische Hipster-Mensaküche unternimmt ungefähr einmal im Monat den Versuch, das Riz Casimir in seiner Ehre zu retten. Das Kalbsfleisch wird zu planted strips, es kommen frische Früchte anstatt den in Dosensirup ertränken hinein, obendrauf Mandelsplitter und der obligatorische Salat (was das soll, ein weiteres ungelöstes Rätsel). Die Schlange für das Gericht  ist immer lang. Während ich grummelnd mein Sandwich esse, zelebrieren meine Kommiliton:innen das Riz Casimir auf ihren Tellern, ertragen mein ausschweifendes Gemecker über Das-Gericht-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf, lächeln zum Ende, zucken mit den Schultern und sagen: «Es ist eben doch ein Schweizer Klassiker. Riz Casimir ist Comfort Food». Und so verbleibt die Diskussion, und ich muss mir eingestehen: Vielleicht essen wir Riz Casimir nicht nur, weil es manchen Menschen doch irgendwie schmeckt. Sondern weil es ein Essen ist, welches die Kulinarik unseres ganzen bisherigen Lebens geprägt hat und uns zuhause fühlen lässt.

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