Nicht selten fand ich mich in einer WG, bei der irgendwo einsam in einer Ecke des Fruchtkorbs oder im untersten Fach des Kühlschranks ein Stück Obst ruhig Blut vor sich hin gammelte. So wird der Gouda schnell mal zum Blauschimmelkäse. Egal ob halb gegessenes Käsebrot, Gurke oder Hähnchenbrust, kein Lebensmittel ist sicher vor Verderben, Schimmel und Pelzbesatz. Auch wenn bei diesem Pelzbesatz kein Tier zu Schaden kommt, mag ich Pelz doch lieber am Tier als auf meiner Mahlzeit!
Sanna Neuhauser, Kulturwissenschaften
Ein Beispiel einer solchen WG ist traurigerweise auch die meine. Wir haben klar aufgeteilte Bereiche in der Küche, wer wo sein Essen deponieren darf. Was geteilt wird, ist fast ohne Verfallsdatum. Zumindest habe ich Salz, Pfeffer und Freunde noch nie im grün weissen Pelzlook gesehen. Wenn ein*e Mitbewohner*in also ausser Stadt ist und das Kühlschrankfach zuvor nicht leer isst/gegessen hat, bleiben die Lebensmittel einfachliegen. Da blickt mensch dann auf die einsam zurückgebliebene Orange und zählt die Tage, bis der Schimmel ansetzt. Ohne zuvor den sichtbaren Beweis für das Vergammeln zu haben, würde ich mich nicht trauen, im heiligen Gebiet der Lebensmittel eines anderen zu herrschen. Mensch weiss ja nicht, ob noch ein Orangensalat bei der Rückkehr geplant ist und mensch dadurch die lang geplante Schmauserei boykottiert.
Natürlich gibt es zu diesem Problem so einfache und simple Lösungen wie die gute alte Kommunikation. Glücklicherweise haben wir durch WhatsApp und Co. auch keine mehrtägige oder wochenlange Wartezeit auf Antworten mehr, sondern können rasch zwischen Zugfahrt und Familientreffen noch die kulinarische Lageerkundung einholen. Ein erster Schritt zur Besserung kann also ohne Probleme gemacht werden, ausser Mitbewohner*in ist ohne Empfang für mehrere Tage, aber dann sollte doch genügend Planung vorangehen, um nicht mit vollem, frisch gefüllten Kühlschrank in die Abgeschiedenheit zu verreisen. Wie meine Mama mir immer sagt: «Ez wird nünt meh kauft, am Wuchenend fahred mer weg.» Dann muss halt mal trockenes Brot mit einem Restenhauch Hummus, einem halben Kohlkopf, den letzten zwei Essiggurken und fünf Himbeeren gegessen werden, auch wenn es nicht die ausgewogenste oder leckerste Mahlzeit des Lebens sein wird. Das nimmt mensch doch gerne in Kauf, wenn mensch sich dafür an seinem Reiseziel mit neuen, vielleicht sogar exotischen Lebensmitteln eindecken kann!
Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude und Vorfreude wächst, wenn mensch seine Mahlzeiten plant. So umgeht mensch es, der Erschöpfung des gelebten Tages zum Opfer zu fallen und mangels fehlender Energie zur Kreativität zum x-ten Male in dieser Woche Nudeln mit Tomatensauce zu essen. Mithilfe eines Mealplans lässt sich aber nicht nur eine freudige Erwartung auf das nächste Essen generieren, sondern auch lässt sich der Inhalt der eigenen vier Lebensmittelwände besser unter Kontrolle halten. So gibt mensch dem Schimmel erst gar keine Chance!
Was kann Mensch machen, wenn Mensch die Lebensmittel so held*innenhaft vor dem Gammeltod gerettet hat? Natürlich lässt sich das Essen einfach verspeisen. Aufschneiden, rüsten, kochen, braten, – was auch immer nötig ist, um es im vollen Genuss zu konsumieren. Grundsätzlich gilt: Wir alle sollten zu besseren Rettungsesser*innen/ Gammelbekämpfer*innen werden, denn glaubt mir, es kannüberraschend lecker sein und macht verdammt kreativ. Sieht das Lebensmittel aber schon nicht mehr ganz so appetitlich aus, hier ein paar Ideen, wo du es super in seiner vollen Portion unterbringen kannst.
1. Nutze Omas Suppentopf: Bisschen Fett, Bouillon, Zwiebeln, Knoblauch – mehr braucht es nicht für eine leckere Suppe. Das Beste daran ist, dass all diese Zutaten lange haltbar und in jedem Haushalt zu finden sind. Auch ist ein Süppchen warm oder kalt zu geniessen, daher schmeckt sie immer, ganz unabhängig von der Jahreszeit.
2. Ab in den Mixer: Ein Smoothie, quasi Suppe in süss… Alles rein, was du magst und auf den Einschaltknopfdrücken, bis die Mischungganz trinkbar ist. Zusatztipp: Mit ein bisschen Glacé wird es auch gerne mal zum leckeren Frappé für den Sommer.
3. Stichwort Backofenzeit: Besonders bei Kuchen lassen sich ziemlich viele Lebensmittel reinschmuggeln, egal ob gehackt, geraffelt oder püriert. Bei Broten ebenso: Tipp: Googelt mal Zucchetti-Kuchen oder Joghurt-Brot.
4. Einmal durch die Mühle wird es rasch zum Paniermehl: Alle Arten von Gebäck lassen sich super zu Paniermehl verarbeiten, welchesvielfältig in Broten, Gebratenem oder als Kuchenboden eingesetzt werden kann. Es schmeckt viel besser als das gekaufte und schaut weniger nach zerkrümelter Fischstäbchenpanade aus.
5. Suger it up: Besonders Früchte kann mensch wunderbar zu Fruchtmus, Konfitüre oder Gelée verarbeiten. Keine Angst vor dem Konfi-Glas, es geht um ein Vielfaches einfacher, als es als Kind aussah. Früchte, Zucker, Kochtopf – fertig ist die Konfitüre. Grundsätzlich gilt: Selbstgemachtes Fruchtmus schmeckt immer (und wenn nicht, wende Tipp 3 an).
6. Leg es ein: Das eine oder andere Gemüse oder Früchtchen eignet sich besser zum Einlegen als zum Einkochen. Alle Arten von Gemüse lassen sich wunderbar mit etwas Essig, Zucker und allen Würzmitteln, die deine Geschmacksknospen begehren, einlegen. Opfer der Gammelgefahr rüsten, rein ins Glas, gut mit Essig und Salzwasser bedecken und festschrauben – dann kannst Du es auch noch später geniessen.
7. Schockgefrieren, wenn nichts mehr hilft: Wenn du noch nicht genau weisst, wann du etwas Essen wirst, friere es lieber ein, bevor es Gefahr läuft, zu verkommen. Vom Mandelgipfel über den Eintopf bis zu den selbstgemachten Tortellini lässt sich wirklich alles einfrieren. Das grossartige ist, dass du die Lebens- und Verwertungsdauer mit diesem Trick noch um einiges steigern kannst. Quasi eine Freezetaste für die Zeit bei Lebensmitteln.
Nun wünsche ich euch allen ganz viel Spass beim Ausprobieren und lasst uns die Gammelgefahr für immer zurück in den Kompost verbannen! Auf einen gammelfreien Kühlschrank und ganz viel leckeres Essen!