Das liebe Alter. Viele fürchten sich vor dem Älterwerden, fürchten sich vor den Veränderungen und Herausforderungen, die es mit sich bringt. Unsere Gesellschaft bildet sich stets eine gewisse Vorstellung darüber, in welchem Lebensalter welche Normen gelten sollen. So setzen viele Menschen die Abnahme der körperlichen und geistigen Kraft, die Pensionierung, ein vermindertes Einkommen und insbesondere den Verlust von geliebten Menschen, geknüpft an die Verminderung der eigenen Mobilität und Lebensfreude mit den Normen des Alters gleich. Doch sind das wirklich die geltenden Normen?
Text: Lorena Graf, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Design: Sonja Wiedmer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Die Vorstellung, dass das Älterwerden nicht umgehbar ist und die Lebensqualität dadurch abnehmen kann, raubt vielen Menschen die Hoffnung, dass das Alter auch positive Aspekte mit sich bringen könnte. Viele Menschen ergeben sich der Vorstellung, dass es nur noch schlechter werden kann, und stagnieren zu einem gewissen Zeitpunkt, indem sie ihre Lebenssituation akzeptieren, obwohl diese nicht zufriedenstellend ist. Ihre Lebensfreude ist nicht mehr so gross, wie sie einmal war. Es werden keine neuen Ziele gesetzt, kurzum: Viele ältere Menschen akzeptieren ihre Lebensumstände, auch wenn diese nicht ihren Wertvorstellungen entsprechen. Dieser Gedanke entspringt aus der Angst, dass sie zu alt für eine Veränderung sein könnten und dass es sowieso nichts mehr bringt in einem höheren Alter sein Leben noch umzugestalten und für das eigene Glück einzustehen.
In den Köpfen der allermeisten Menschen repräsentieren in unserer Gesellschaft angebliche Normen des Alters der Umzug in ein Altersheim oder eine Alterswohnung, ein Spitalaufenthalt, die Verminderung von Mobilität, körperlicher und geistiger Bewegung, das Ausharren in einer Beziehung, die nicht glücklich macht und Vereinsamung. Bedeutet dies demnach auch, dass sich die gegebenen Normen des Alters nicht ändern lassen? Auf keinen Fall!
Wertvorstellungen im Alter
Wertvorstellungen sind gemeinsame Vorstellungen darüber, wie die Gesellschaft sein sollte. Sie geben den Menschen eine Handlungsrichtung vor und tragen so zum Zusammenhalt einer Gesellschaft bei. Werte sind aber nicht in Stein gemeisselt und können sich im Laufe des Lebens jedes Menschens ändern.
Aufgrund solcher Wertvorstellungen des Älterwerdens lässt sich erahnen, dass sich älter werdende Menschen vermehrt nach Sicherheit sehnen, sei es auf zwischenmenschlicher oder finanzieller Ebene. Des Weiteren ist eine gute Gesundheit, körperlich, aber auch geistig, von grosser Wichtigkeit. Die meisten Menschen möchten im Alter mobil bleiben, dass heisst, sie möchten sich körperlich betätigen, aktiv bleiben und am liebsten eine regelmässige Tätigkeit ausüben, die ihnen Freude bereitet. Durch die Mobilität gewinnen sie zudem an gesellschaftlicher Einbindung und Partizipation. Sie können damit eine Vereinsamung oder Isolation umgehen, wodurch sich auch die körperliche und geistige Bewegung verbessern kann. Zudem ist es für die meisten wichtig, dass sie auch im Alter über sich selbst bestimmen können, sofern es die physische und psychische Gesundheit zulässt. So wollen sie selbst entscheiden, ob sie nach wie vor zu Hause leben oder in eine Alterseinrichtung ziehen möchten. Eng geknüpft an die Selbstbestimmung ist die Selbstverantwortung. Die Menschen wollen Verantwortung für sich selbst übernehmen und die eigene Gesundheit, die eigene Mobilität und ihr ganzes Leben selbst in der Hand haben. Sie wollen selber verantwortlich sein und ihr Leben ohne Fremdhilfe gestalten.
Aktiv im Alter – aber wie?
Heutzutage gibt es viele spannende und lehrreiche Angebote, Hobbys und Aktivitäten für die ältere Generation. Beispielsweise gibt es im Tribschen-Quartier, organisiert von der Pfarrei St. Anton-Michael, circa viermal im Jahr ein sogenanntes «Handy-Kafi», bei welchem ältere Menschen vorbeikommen und sich ihr Handy von der jüngeren Generation erklären lassen können. Ein solches Angebot bringt viele Vorteile mit sich: Einerseits können sich Jung und Alt gegenseitig austauschen und sich beidseitig durch ihre Erfahrungen bereichern, andererseits können die älteren Menschen sich geistig herausfordern und mit der Digitalisierung mitgehen, was sie ebenfalls aktiv hält. Zudem können die älteren Menschen durch das Verstehen der Technik mobil bleiben, was in der heutigen Zeit beinahe unumgänglich ist, da ein gewisses Verständnis für die Technik nahezu überall aufgebracht werden muss.
Um auch nach der Pensionierung gesellschaftlich eingebunden bleiben zu können, bietet Pro Senectute Schweiz zahlreiche Aktivitäten an, welche die mentale und körperliche Gesundheit der Menschen fördern und diese dazu bewegen, zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen und zu pflegen. Ähnlich wie das Handy-Kafi ermöglicht die Organisation Pro Senectute Schweiz Kurse zu unterschiedlichen neuen Technologien mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden an. Die übrigen Aktivitäten gehen von Schach spielen, jassen, stricken, tanzen, musizieren bis hin zu Aquafit, GymFit und wandern.
Fest steht, dass man nie zu alt für etwas ist. Auch nicht für Veränderungen, die das Leben komplett auf den Kopf stellen. So wie jeder Mensch entscheiden kann, welche Aktivitäten einem auch in einem höheren Alter interessieren oder welche neuen Ziele man sich im Alter setzt, sollte jede Person auch selbst entscheiden dürfen, mit welchen Personen man die letzten Jahre seines Lebens verbringen möchte. Und wo Entscheidungen getroffen werden müssen, wie ob eine Trennung von der langjährigen Partner*in in Frage kommt. Heutzutage leben wir in einer Gesellschaft, in welcher Trennungen akzeptiert sind und man sich nicht dafür schämen muss, wenn eine Beziehung nicht funktioniert. Warum sollte man also in einer Beziehung ausharren und das eigene Wohlbefinden vernachlässigen, bloss weil man schon mehrere Jahre in einer Beziehung steckt? Eine Trennung kann auch in einem höheren Alter erfolgen und dies bedeutet nicht, dass man keine neue Liebe finden kann. Vielmehr stellt es eine Chance dar, wieder glücklich zu sein, neue Projekte anzupacken, egal ob der Weg in eine neue Beziehung führt oder ob man alleine glücklich wird.
Wir sehen, älter zu werden, bedeutet keineswegs, stehen zu bleiben und noch weniger soll es ein Hindernis darstellen. Ein aktives Leben kann in jedem Alter beginnen – manchmal braucht es nur ein wenig Mut und Flexibilität. Aktiv altern heisst, glücklich zu altern.