Was ist solidarische Landwirtschaft und warum ist sie sinnvoll? Ein Beitrag über solidarische Landwirtschaft und ihr Potential – in Luzern und weltweit.
Angela Baumann, Philosophy, Politics and Economics
Was kann ich selbst beitragen, um die Umwelt zu schonen? Wie kann ich als Konsument*in einen Beitrag zum Umweltschutz leisten? Solche Fragen stellen sich in Zeiten von Klimastreiks und immer drängender werdenden klimapolitischen Problemen viele Menschen, und Antworten darauf sind nicht immer leicht zu finden. Als einzelnes Individuum in einem globalen, kapitalistischen System tatsächliche Veränderung herbeizuführen, ist nahezu unmöglich. Verständlich also, dass viele Menschen beim Versuch, individuelle Verhaltensmuster zu ändern und ihren persönlichen Fussabdruck zu reduzieren, allmählich die Hoffnung verlieren und es irgendwann ganz sein lassen.
Aber das muss nicht so sein. Als Individuum wird man die Welt zwar nicht retten können, doch kleine Beiträge für die Umwelt leisten kann man allemal. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, selbst an einer nachhaltigen, regionalen und fairen Produktion von Nahrungsmitteln mitzuwirken und eine alternative Wirtschaftsform mitzuentwickeln. Diese Möglichkeit nennt sich Solidarische Landwirtschaft (Solawi), Community Supported Agriculture oder, speziell in der Deutschschweiz, regionale Vertragslandwirtschaft. Doch was bedeutet das genau?
Konsument*innen und Produzent*innen arbeiten zusammen
In einer solidarischen Landwirtschaft arbeiten Produzent*innen und Konsument*innen direkt zusammen. Sie schliessen für gewöhnlich einen einjährigen Vertrag ab, wobei die Konsument*innen selbst an der Produktion beteiligt sind. Sie entscheiden mit, was angebaut werden soll, helfen bei der Planung und arbeiten häufig selbst für einige Tage im Jahr auf den Feldern mit. Damit erhöht sich die Selbstbestimmung und die Transparenz in der Nahrungsmittelproduktion und es entstehen neue Möglichkeiten des Austauschs zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen.
Auch ganz in der Nähe von Luzern – in Neuenkirch – gibt es ein solches Projekt: Die Randebandi. Die Randebandi wurde 2018 gegründet und bezeichnet sich selbst als Gemüsebaukooperative. Als Mitglied der Kooperative kann man ein Gemüse-Jahresabo abschliessen, mit dem man wöchentlich eine Gemüsetasche für zwei bis drei Personen an einem Depot in Luzern, Kriens, Emmenbrücke, Sursee, Sempach oder Neuenkirch abholen kann. Das Gemüse ist dabei immer saisonal sowie bio und wird mit Hilfe der mittlerweile rund 70 Mitglieder angebaut, geerntet und verteilt.
Gemeinschaftliche Alternativen zur industrialisierten Landwirtschaft aufzeigen
Ziel der Solawi ist es, gemeinschaftlich etwas zu schaffen und eine Alternative zur industrialisierten Landwirtschaft aufzuzeigen. Deshalb können die Mitglieder der Randebandi jederzeit eigene Wünsche einbringen und mitbestimmen, welche Gemüsesorten angebaut werden sollen. Gleichzeitig arbeiten sie an einigen Halbtagen (üblicherweise 10) im Jahr auch selbst auf den Feldern und helfen beim Anbau, der Ernte und der Verteilung in die Depots. Da von Anfang an klar ist, für wen produziert wird, entfallen Zwischenhandel und lange Transportwege, was zu umweltfreundlichen Bedingungen und fairen Preisen führt.
Auch die Preise werden anders festgelegt als in der traditionellen Landwirtschaft. Bezahlt werden nämlich nicht die Endprodukte selbst, sondern die Produktionskosten. Anstatt am Ende das Gemüse zu bezahlen, wird bereits vor der Saison ein Preis mit den Landwirt*innen vereinbart. Dies führt zu einer Risikoteilung und einem gesicherten Einkommen für die Landwirt*innen, was diesen wiederum ermöglicht, sich einer nachhaltigen Form der Landwirtschaft zu widmen, ohne dem Preisdruck des Marktes ausgesetzt zu sein.
Das Interesse an Solawis ist gross
Das Interesse an einer Form der selbstverwalteten Produktion mit regionalen, saisonalen Bio-Produkten ist in der Schweiz mittlerweile relativ gross. Das zeigt sich auch bei der Randebandi. Für das Jahr 2021 sind sie bereits ausgebucht, und wer noch mitmachen möchte, muss sich auf eine Warteliste setzen lassen. Hierzulande sind Solawis vor allem in der Westschweiz verbreitet, wo es bereits in den 80ern erste Projekte gab. Zunehmend erobern sie aber auch die Deutschschweiz. Die grösste regionale Vertragslandwirtschaft der Schweiz ist die Genossenschaft Agrico in der Region Basel mit über 2’000 Mitgliedern.
Klar, 2’000 Mitglieder sind immer noch relativ wenig und werden gegen den Klimawandel nicht viel ausrichten können; wenn wir aber den Blick ein wenig weiten und nur schon auf unser Nachbarland Deutschland schauen, dann sehen wir, dass die Solidarische Landwirtschaft noch eine Menge Potential hat. In Berlin zum Beispiel gibt es eine Solawi – die Sterngartenodyssee –, die bis zu 100’000 Mitglieder aufnehmen kann.
Die solidarische Landwirtschaft hat noch viel Potential
Aber nicht nur bezüglich der Mitgliederzahl, sondern auch bei den Produkten gibt es noch viel Potential. Die Produktion muss nämlich keineswegs nur auf Gemüse beschränkt sein. Vielerorts werden bereits heute neben Gemüse auch Obst, Getreideprodukte oder tierische Erzeugnisse angeboten. Dass solidarische Landwirtschaft auch mit einer sehr grossen Anzahl von Menschen und einer grossen Produktevielfalt möglich ist, zeigt zum Beispiel die Genossenschaft Hansalim in Südkorea. Sie wurde vor etwa 30 Jahren gegründet, mit dem Ziel, die Landwirtschaft umweltfreundlicher und vor allem pestizidfrei zu gestalten und vereint heute über 2’000 Höfe und rund zwei Millionen Menschen.
Mittlerweile ist die Genossenschaft so stark gewachsen, dass sie sogar eigene verarbeitende Betriebe – zum Beispiel für Reis, Soja und Getreide – besitzt und ihre Produkte täglich an rund zwei Millionen Menschen liefert, sowie in eigenen Supermärkten verkauft. Die Preise werden jährlich von einem Gremium festgelegt, wo Produzent*innen und Konsument*innen vertreten sind und miteinander verhandeln. Durch die direkte Zusammenarbeit fallen Zwischenhändler und Kosten für Werbung weg, was dazu führt, dass ein Grossteil dessen, was die Konsument*innen zahlen, auch tatsächlich bei den Landwirt*innen ankommt. Bei Hansalim sind dies rund 70 Prozent, im Vergleich zu oft gerade mal 20-25 Prozent in der industriellen Landwirtschaft.
Solche Projekte der solidarischen Landwirtschaft allein werden den Klimawandel nicht aufhalten – selbst wenn sie wie bei Hansalim bereits eine beachtliche Zahl von Menschen zusammenbringen. Denn dazu sind definitiv grössere Veränderungen nötig, auf globaler Ebene und in allen möglichen Politikbereichen. Wenn man aber bedenkt, wie stark die Landwirtschaft mit klimapolitischen Themen verknüpft ist, lässt sich doch ein gewisses Potential der solidarischen Landwirtschaft erschliessen. Auch wenn der Einfluss solcher kleinen Projekte wie dem der Randebandi relativ gering ist, so lassen sie doch zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer wieder aufleben. Sie bieten eine Möglichkeit, selbst etwas im Kleinen zu bewirken, und sie zeigen vor allem Alternativen zur industriellen Landwirtschaft auf und geben damit Hoffnung auf Veränderungen.