«Ist da eigentlich jemand?»

Begleitung von Studierenden via Zoom: Wie erleben Dozierende die Pandemie? (Bild: Laura Kneisel)
Format
Bericht
Lesedauer
3 Minuten
Veröffentlicht am
15. Mai 2020
Serie
Das andere Unileben

Die erste Lockerungsetappe des Corona-Lockdowns liegt seit dieser Woche hinter uns. Dennoch wird sich für die Studierenden der Unilu vorerst nicht viel ändern.  Grund genug, einmal eine eher unbekannte Sicht auf die Ereignisse kennenzulernen: Diejenige der Dozierenden. Prof. Dr. Martin Hartmann, Dozent und Dekan der KSF, über seine Erfahrungen.

Reto Walpen, Philosophy, Politics & Economics

Gelangweilt scheint Professor Hartmann derzeit zweifelsohne nicht, reiste er doch extra von Deutschland nach Luzern, um mehr Arbeitsmaterial zu besorgen. «Lumos» steht er daher von seinem Büro in der Universität aus Rede und Antwort.

Der Dekan…

Allmorgendliche Dekanatssitzungen, Prüfungsvorbereitungen, rechtliche Abklärungen; das aktuelle Semester ist nicht nur für Studierende eine Belastungsprobe. Sonderlich gestresst wirkt der Dekan Martin Hartmann deshalb aber nicht: «Der Umstieg auf digitale Lehre hat gut und überraschend schnell funktioniert. Damit habe ich selbst nicht einmal gerechnet. Dennoch ist es für mein Team und mich natürlich viel Arbeit.»

Ähnlich positiv sieht er den Umgang der Universitätsleitung mit der Situation, welche rechtzeitig wichtige Schritte gegangen sei. Deshalb habe auch relativ viel Planung gemeinsam und analog stattfinden können, was vieles vereinfacht habe. «Dennoch war das kein leichter Prozess. Die Diskussionen gingen ständig hin und her und es gab viele verschiedene Meinungen. Doch hat der Rektor relativ früh entschieden, das Gebäude zu schliessen und die ganze Lehre zu digitalisieren – im Nachhinein sicherlich die richtige Entscheidung.»

…der Mensch…

Trotz des relativ schnellen und problemlosen technischen Umstiegs belastet die Situation den Menschen Martin Hartmann. Praktisch das ganze berufliche und Teile des sozialen Lebens auf Zoom zu verschieben, sei nicht ohne: «Ich merke es bei mir selbst und bei den Studierenden, dass wir alle langsam ‹Zoom-müde› werden. Zu wissen, dass das noch länger so weitergeht und im Herbst auch wiederkommen kann, ist schon frustrierend.» Besonders die geringere Beteiligung, die ausbleibende Rückmeldung der Studierenden sowie die fehlende Raumatmosphäre erschweren das Lehren, so der Philosophieprofessor. «Manchmal bitte ich die Leute förmlich, irgendetwas zu sagen, weil man sich fragt ‹Ist da eigentlich jemand?›»

Auch die Situation von uns Studierenden stellt sich Hartmann nicht einfach vor: «Das ganze studentische und soziale Leben fehlt ja komplett. Viele leben momentan wohl wieder bei ihren Eltern, was nach den ersten getanen Schritten in die Selbstständigkeit sicher auch nicht ideal ist.»

Um dem Lagerkoller, den viele zurzeit belastet, ein wenig zu entkommen, empfiehlt Hartmann vor allem, den Kontakt zu seinen Mitstudierenden nicht zu vernachlässigen. Sollte man zudem Probleme im universitären Bereich haben, betont er, sich als allererstes an die Professorinnen und Professoren zu wenden: «Mir kann man jederzeit schreiben und ich zoome mit vielen Studierenden über alles Mögliche.» Und sollte die Situation tatsächlich zu viel für einige werden: «Wenn es gar nicht geht, dann muss man vielleicht ein Semester mehr studieren, da braucht man sich nicht schämen. Drei Jahre sind sowieso viel zu schnell!» [lacht] Doch ist sich Hartmann auch bewusst, dass das nicht ganz so einfach ist: «Das ist natürlich auch eine finanzielle Frage. Für solche Fälle hat die Uni jedoch einen Härtefallfond eingerichtet.»

…und die Kollegen

Ähnliche Probleme wie bei den Studierenden sieht Professor Hartmann auch bei seinen Kolleginnen und Kollegen. So habe der Umstieg auf digitale Lehre für die meisten, auch die älteren Dozierenden, die sich der modernen Möglichkeiten teils kaum bewusst waren, gut funktioniert. Doch auch Dozierende sind selbstverständlich Menschen, die ihr Sozialleben vermissen und denen die Isolation zusetzt. «Man könnte ja auch meinen, man habe mehr Zeit als jemals zuvor, da so viele Veranstaltungen ausgefallen sind. Und das klingt ja erstmal fantastisch.»

Zeit also, endlich das eine grosse Projekt in Angriff zu nehmen, das neue Buch zu schreiben? Leider nein. «Ich höre von vielen, dass sie das gar nicht schaffen, da sie sich mental schlichtweg nicht imstande dazu fühlen und auch die Kinderbetreuung einigen zu schaffen macht.» Nicht zuletzt belasten die Dozierenden auch die fehlenden Kontakte unter den Arbeitskollegen. «Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind wohl auf die Fakultätsversammlungen angewiesen, um sich mit den anderen zu ‹treffen›. Auch das ist nicht einfach, wie für die Studierenden ja auch.»

Doch zeigt sich Professor Hartmann trotz aller Schwierigkeiten zufrieden: «Es gibt immer Probleme und Entscheidungen, mit denen nicht alle einverstanden sind. Beispielsweise unsere Entscheidung, dieses Semester keine automatische Annullation ungenügender Leistungen durchzuführen, sondern einzelfallgerechte, massgeschneiderte Lösungen auf der Basis der Härtefallklauseln zur Anwendung zu bringen. Das stösst bei einigen auf Unverständnis. Insgesamt betrachtet finde ich dennoch, dass die Universität die Situation relativ gut meistert.»

Wie ist die Uni eurer Meinung nach mit der Situation umgegangen? Seht ihr die Reaktion der Universität auch so positiv wie Professor Hartmann oder gibt es einige Punkte, in welchen man die Uni kritisieren müsste? Lasst es uns in der Kommentarspalte wissen!

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