«Einmal pro Semester habe ich Open Door»

Im Dezember haben wir von Lumos die Studierenden der Universität Luzern dazu aufgefordert, uns Fragen an den Rektor Bruno Staffelbach zu senden. Wir haben sie ihm gestellt. Hier findet ihr seine Antworten.

Sophie Küsterling, Politikwissenschaften

Herr Staffelbach, wie wird man Universitätsrektor? Und warum gerade in Luzern?

Bruno Staffelbach: Die Stelle wurde ausgeschrieben. Ich habe mich beworben und wurde zu einem Gespräch mit der Findungskommission und persönlichen Vorstellungen bei den Fakultätsversammlungen eingeladen. Dann wurde ich gewählt. Vorher war ich 24 Jahre Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich. Ich bin Luzerner und hier zur Schule und ins Gymi gegangen. Für mich bedeutete Luzern zurück zu den Wurzeln und noch einmal eine Herausforderung zum Abschluss meiner beruflichen Laufbahn.

Wie sieht der Alltag eines Rektors überhaupt aus?

Ausser dass ich in der Regel am Morgen um 7 Uhr im Büro bin und dass an den meisten Abenden irgendetwas los ist, sieht fast jeder Tag anders aus. Die Haupttätigkeit ist Kommunizieren, vor allem per E-Mail und in Sitzungen. Inhaltlich geht es meistens um Vorgehenspläne und um Ressourcen. Da muss man aufpassen, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: die Menschen und die Ziele.

Kennen sich die Rektorinnen und Rektoren der Schweizer Universitäten untereinander? Hat man regelmässig Kontakt miteinander?

Ja, ich kenne alle persönlich, einige schon seit vielen Jahren. Wir treffen uns fast alle zwei Monate.

Stehen Sie regelmässig im Kontakt mit Studierenden?

Ja, denn ich gebe Vorlesungen und Seminare. Im Frühjahrssemester eine Bachelorvorlesung sowie im Frühjahrs- und Herbstsemester jeweils ein Forschungsseminar. Zudem habe ich pro Semester einmal Open Door. Dann können alle vorbeikommen, die ein Anliegen haben. Dieses Semester findet sie am Dienstag, 28. April von 9 bis 11 Uhr statt.

Mit wem gehen Sie Mittag essen?

In der Regel esse ich in der Mensa, zusammen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Professur und/oder vom Rektorat. Oder ich treffe mich mit Leuten zu einem Mittagessen in einem der umliegenden Restaurants.

Die Öffnungszeiten der Universität am Wochenende sind sehr kurz. Könnte man nicht einführen, dass Studierende mit der Legi auch ausserhalb der Öffnungszeiten Zugang zum Unigebäude erhalten?

Etwas in dieser Art gibt es bereits mit den Sonntagsöffnungen der Bibliothek während der Prüfungsvorbereitung. Der generelle Zutritt für Studierende mit Legi über das ganze Jahr hindurch und für das gesamte Haus ist aber sehr schwierig. Denn dann müssten wir für die ganze Zeit und das ganze Haus Personal vor Ort haben, einerseits für den Betrieb und anderseits für technische und medizinische Notfälle. Diese Kosten können wir nicht stemmen. Anderseits ist wegen des exponierten Standorts das Risiko, dass unbefugte Personen eintreten, hoch.

Die Mensa wie auch die Bibliothek sind oft sehr voll. Besonders während der Prüfungszeit ist es in der Bibliothek schwierig, einen Sitzplatz zu finden. Wie will die Universität Luzern das Problem der immer knapperen Räumlichkeiten lösen?

Mit der Umstellung des Stundenplanes und den längeren Öffnungszeiten konnte im Herbst 2016 die Platzsituation deutlich verbessert werden. Rein rechnerisch hat die Mensa über die ganze Mittagszeit verteilt genügend Plätze. Ich empfehle, wenn möglich Zeiten ausserhalb der Spitzen zu wählen, ich selber gehe jeweils um halb zwölf zum Essen. Was die Bibliothek in der Prüfungszeit betrifft, so sind die Plätze tatsächlich sehr begehrt. Mit dem neu eingeführten ‚Seat Navigator’ wird die Belegung optimiert. Um dem erhöhten Platzbedarf während den Prüfungszeiten zu entsprechen, gibt es während dieser Zeit zusätzliche Arbeitsplätze in Seminarräumen und Hörsälen.

Braucht es wirklich eine medizinische Fakultät?

Der Medizin-Master ist ein gemeinsames Angebot der Universitäten Luzern und Zürich. Er ist im neuen Departement Gesundheitswissenschaften und Medizin beheimatet. Es gibt also keine medizinische Fakultät. Die praktische Ausbildung erfolgt an den Luzerner Kliniken. Das bedeutet, dass der zusätzliche Raumbedarf gering ist. Ich bin glücklich, dass wir diesen Medizin-Master haben. Damit können wir Gesundheitswissenschaften und Medizin in Forschung und Lehre kombinieren und integrieren, wie es keine andere Universität in der Schweiz tut.

Warum setzt sich die Universität nicht mehr für Gleichstellung ein?

Wir haben einiges erreicht. Aber wie die Zahlen zeigen, sind wir noch nicht am Ziel. Persönlich sehe ich Aufholbedarf bezüglich Diversität und ausgewogenen Geschlechterverhältnissen. In der Durchsetzung der Chancengleichheit stehen alle Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in der Pflicht und in der Verantwortung. Jede Professur, jede Fakultät, das Generalsekretariat, die Verwaltung und natürlich auch ich selbst.

Wie gross ist die Lohnschere an der Uni?

Der Faktor zwischen dem höchsten zum niedrigsten Lohn liegt unter 5. Im Vergleich zur Wirtschaft ist dieser Wert also um einiges geringer. Der höchste und tiefste Lohn werden durch das kantonale Personalgesetz vorgegeben, damit sind der Lohnschere Grenzen gesetzt.

Unterstützen Sie persönlich die Anliegen des Feministischen Hochschulkollektivs?

Im Grundsatz ja. Allerdings stellen sich bei einzelnen Forderungen schon Fragen der Machbarkeit. Zum Beispiel wenn es um eine ausgeglichene Vertretung der Frauen in Literaturlisten und Quellenverzeichnissen geht.

Für Studierende mit Familie und Haushalt ist es schwierig, einen Vollzeitstudienabschluss zu machen. So muss man beispielsweise lange auf einen Platz in der Kita Campus warten. Ist die Universität hier zu wenig unterstützungsbereit?

Die Universität bietet mit der Kita Campus und den Beratungsangeboten den Studierenden und Mitarbeitenden Unterstützung an. Eine Platzgarantie an der Kita lässt sich jedoch nicht realisieren. Bei Fragen und Problemen empfehle ich die Fachstelle für Chancengleichheit zu kontaktieren. Im Übrigen unterstützt die Universität Projekte finanziell, welche der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Studium dienen und ist offen für Ideen, wie Studierende mit Familie besser unterstützt werden können. Beispielsweise wurde die Projektidee eingereicht, eine zweite, betreute Ferienwoche für die Kinder von Mitarbeitenden und Studierenden einzuführen. Die wird nun für den Herbst 2020 geplant.

Die Universität Lausanne hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass sich viele Studierende überfordert fühlen. Was tut die Uni Luzern dagegen und welche Hilfsangebote stehen den Betroffenen zur Verfügung?

Wir haben ein breites Angebot an Beratungsstellen, welche über die Website zu finden sind, zum Beispiel die Studienberatungen, die Fachstelle für Chancengleichheit oder die Psychologische Beratungsstelle. Wichtig scheint mir, dass man sich rechtzeitig die notwendige Hilfe holt. Lieber zweimal zu früh als einmal zu spät.

Ausseruniversitäre Aktivitäten wie Vereine sind gern gesehen, erhalten aber keine finanzielle oder anderweitige Unterstützung von der Universität selbst. Das ist doch ein Widerspruch, oder nicht?

Die Universität unterstützt ausseruniversitäre Aktivitäten sehr wohl. So können sich Vereine akkreditieren lassen und dann etwa von der unentgeltlichen Nutzung von Räumen profitieren. Aktuell sind mehr als zwei Dutzend Vereine akkreditiert. Begehren nach finanzieller Unterstützung muss ich entgegenhalten, dass die Mittel der Universität aus Steuergeldern kommen, die für Bildung und Forschung gesprochen wurden.

Ist die gratis Arbeit, die Studierende im Rahmen des Social-Credits-Systems leisten müssen, gerechtfertigt?

Der Erwerb von Social Credits ist nicht Gratisarbeit. Die Studierenden erhalten für ihre Arbeit eine Vergütung in Form von Credits. Ziel ist die Einbindung der Studierenden in die Universität und die Förderung studentischer Arbeitsformen. Ich finde es eine gute Sache.

Was gefällt Ihnen am besten an der Stadt Luzern?

Die vielen Orte mit persönlichen Erinnerungen aus meiner Schul- und Jugendzeit.

Stellen Sie sich vor, Sie kämen frisch vom Gymnasium. Würden Sie ein Studium an der Uni Luzern beginnen?

Wenn ich mich in meine Interessenlage im Jahr meines Studienbeginns zurückbeame und diese mit dem heutigen Angebot der Universität Luzern vergleiche, dann hätte ich mich wohl für das Programm «Philosophy, Politics and Economics» entschieden. Zudem gefallen mir hier die Übersichtlichkeit, der persönliche Charakter und die integrierten Studiengänge besonders.

Was tun Sie, wenn Sie nicht an der Universität Luzern sind?

Dann bin ich vor allem in Genf, wo ich im Vorstand des Internationalen Roten Kreuzes aktiv bin. Ferien verbringe ich in der Regel je ungefähr eine Woche im Bündnerland, im Burgund und im Veneto.

Was würden Sie an Ihrer beruflichen Laufbahn ändern, wenn Sie könnten?

Meine Eltern, das Leben und der Beruf meinten es gut mit mir. Ich durfte als erster in der Familie, die Bauern und Wirtsleute waren, ans Gymnasium und wählte Schwerpunkt Latein und Altgriechisch, was ich wieder machen würde. Ich durfte studieren was ich wollte – Wirtschaftswissenschaften, was ich wieder machen würde – und ich durfte in einer Welt aufwachsen und mich entwickeln, die mir viel Freiheit bot. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich die Arbeit mit jungen Menschen, die Vieles anders sehen und interpretieren als ich oder die sich in einer ähnlichen Welt anders orientieren. Dafür bin ich dankbar und hoffe, dass es noch ein bisschen so bleibt.

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