Grosses Wohnen im Minihaus

https://unsplash.com/de/fotos/4S6FmLPEP6A
https://unsplash.com/de/fotos/4S6FmLPEP6A
Format
Bericht
Veröffentlicht am
20. September 2023
Lesedauer
3 Minuten

Wie viele Quadratmeter Wohnfläche braucht eine Person? Diese Frage stellen sich Initianten und Initiantinnen der sogenannten «Tiny House Bewegung». Beim Besuch eines Schweizer Ökominihauses durfte ich unter die Oberfläche der Faszination fürs Leben im Kleinformat blicken und erfahren, welche Chancen und Hürden diese alternative Wohnform mit sich bringt.

Text: Elena Arnold, Kulturwissenschaften
Design: Luanda Daka, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften

Die «Tiny House Bewegung» fand ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise von 2007-2008 nahmen die Hauskredite horrend hohe Ausmasse an, weshalb viele erfinderisch werden mussten und kurzerhand Notunterkünfte im Kleinformat errichteten. Diese sind nicht nur finanziell erschwinglich, sondern setzen vermehrt auch auf Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein. Der Trend ist in den letzten Jahren auch in der Schweiz angekommen. Die Bewegung steckt hierzulande zwar noch in den Kinderschuhen, allerdings ist die Diskussion um alternative Wohnformen in Zeiten von Wohnungsknappheit und steigenden Mietzinsen akuter denn je.

Was verstehen wir unter Kleinwohnformen?

Zu den typischen Kleinwohnformen zählen unter anderem Minihäuser, Zirkuswagen und Jurten. Sie zeichnen sich durch ihre geringe Wohnfläche von höchstens 40 Quadratmetern aus. Zum Vergleich: Ein herkömmliches Wohnzimmer weist eine Fläche von 25 bis 30 Quadrat- metern auf. Weiter verfügen Kleinwohnformen meist über eine gewisse Mobilität und können einfach transportiert werden. In der Schweiz werden sie oftmals mit dem Fokus auf eine autarke, nachhaltige, gesunde und klimafreundliche Lebensweise errichtet. So stehen optimale Nutzung der verfügbaren Fläche, erneuerbare Energien sowie nachhaltig und fair produzierte Materialien im Zentrum des Baus.

All diese Aspekte werden von der Baubiologin Tanja Schindler grossgeschrieben. Vor über einem Jahrzehnt begann sie mit dem Bau ihres ersten Ökominihauses und setzte sich zum Ziel, «zukunftsfähige, sozial und kulturell nachhaltige, bezahlbare und gleichzeitig wohngesunde Lebensräume» zu schaffen. Im Frühjahr durfte ich das Ökominihaus im Rahmen einer öffentlichen Führung besuchen und erfuhr dort, dass das Leben im Mini- Format nicht nur idyllisch ist.

Das Ökominihaus

Anders als erwartet setzt beim Betreten des ca. 35 Quadratmeter grossen Ökominihaus kein Engegefühl ein im Gegenteil: Das Haus fühlt sich geräumig an, ist licht-durchflutet und die hellen Holzmöbel verfügen über einen gewissen Charme. Das Haus wirkt ruhig, aufgeräumt und erscheint als perfekter Ort zum Leben und Nachdenken. Deshalb und wegen der autarkischen Lebensweise interessiere ich mich sowie viele weitere Personen fürs Leben im Mini-Format.

ls erstes fällt mein Blick auf die akzentuierte Lehmwand. Diese verleiht dem Haus nicht nur eine wohlige Atmosphäre, sondern spielt auch eine zentrale Rolle in der CO2-neutralen Heizung. Das Haus wurde bewusst zur Sonne hin ausgerichtet, damit sich die Lehmmauer tagsüber aufheizen und die Wärme nachhaltig speichern kann. Weiter sind die Solarpaneele auf dem Dach und auf der Vorderseite des Hauses nicht zu übersehen. Mit dieser Photovoltaik-Anlage kann der gesamte Strom für das Haus erzeugt werden. Interessanterweise befindet sich nicht auf jeder Steckdose im Haus Wechselstrom, sondern gerade im Schlafbereich setzt die Baubiologin aus gesundheitlichen Gründen auf Gleichstrom.

Generell ist das Ökominihaus aus emmissionsgeprüften, Schweizer Baumaterialien gefertigt. Somit wird einerseits dafür gesorgt, dass der Eingriff in die Natur vergleichsweise geringgehalten wird und andererseits stellt die Baubiologin durch die Nutzung von einheimischen Rohstoffen sicher, dass alle am Haus beteiligten Bauarbeiter und Bauarbeiterinnen faire Arbeitsbedingungen nach Schweizer Arbeitsrecht geniessen. Der faire, respektvolle und nachhaltige Umgang mit den Menschen ist ebenso ein zentraler Aspekt der Baubiologie, wie der Umgang mit unserer Umwelt.

Die Hürden einer Kleinwohnform

Dank ihrer kleinen Grösse sind die meisten Kleinwohnformen preiswerter als klassische Häuser. Jedoch fallen beim Ökominihaus aufgrund des ökonomischen und nachhaltigen Aspekts zusätzliche Kosten an. Was allerdings bei allen Immobilien gleich bleibt, sind gewisse grundlegende Kosten, wie beispielsweise der Anschluss an die Kanalisation oder der Kauf von Bauland. Aus diesen Gründen kann ein Ökominihaus gut und gerne zwischen 300’000 bis 350’000 Franken kosten.

Neben dem finanziellen Aspekt bildet das grösste Hindernis für die Errichtung einer Kleinwohnform die schweizerische Bürokratie. Zurzeit besteht keine Bewilligungspraxis für Kleinwohnformen auf Bundesebene. Obgleich das Wohnen im Mini-Format nicht illegal ist, muss oft ein langwieriger, bürokratischer Prozess auf sich genommen werden, bis eine Baubewilligung ausgestellt wird.

Eine weitere Problematik besteht in Zeiten von Wohnungs- und Landknappheit in der unverhältnismässig grossen Fläche, die für die Errichtung einer Kleinwohnform benötigt wird. So braucht das ca. 35 Quadratmeter grosse Ökominihaus eine Fläche von sage und schreibe 300 Quadratmetern, damit der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand eingehalten werden kann. Dies widerspricht dem Grundgedanken der «Tiny House Bewegung», welcher vorsieht, dass eine Person zum Leben nur wenige gut durchdachte Quadratmeter benötigt. Allerdings sind solche Bewegungen essenziell für die Diskussion um zukunftsfähige alternative Wohnformen.

Zeen is a next generation WordPress theme. It’s powerful, beautifully designed and comes with everything you need to engage your visitors and increase conversions.