«Warte, luege, lose, laufe» – das wird vermutlich den meisten Schweizer*innen in den Sinn kommen, wenn sie diese bekannten gelben Streifen sehen. Dank dem «Zebrastreifen» können Fussgänger*innen schnell und sicher Fahrbahnen überqueren. Aber seit wann gibt es sie eigentlich? Und wie haben sie sich entwickelt?
Text: Valentina Meyer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Layout/Fotografie: Ann-Somea Marty, Kulturwissenschaften mit Major Ethnologie
Die Bezeichnungen sind vielfältig – in Deutschland ist es der Fussgängerüberweg, in Österreich der Schutzweg und in der Schweiz der Fussgängerstreifen oder eben Zebra- streifen. Ungeachtet der sprachlichen Unterschiede handelt es sich jedoch stets um dasselbe: eine Querungsanlage auf Strassen für Fussgänger*innen und Rollstuhlfahrende. Als Querungsanlage werden alle Massnahmen bezeichnet, welche Fussgänger*innen dabei helfen, die Fahrbahnen schneller, komfortabler und sicherer zu überqueren.
Der Vorgänger des heutigen Fussgängerstreifens ist die Fussgängerfurte der römischen Antike. Damals waren Gehsteige und Bordsteinkanten rund 30 cm hoch – dieser Höhenunterschied verhinderte, dass Wagen versehentlich von der Strasse abkamen. Damit Fussgänger*innen Stras- sen überqueren konnten, gab es Trittsteine, die genauso hoch wie die Gehsteige waren. Fussgängerstreifen waren also quasi «dreidimensional». Dadurch konnten Fussgänger*innen nicht nur einfacher die Strassen überqueren, sondern sie wurden von Wagenführer*innen auch besser gesehen – weil diese langsamer fahren mussten, um zwischen den Steinen hindurchfahren zu können.
Die Fussgängerfurte blieb jedoch nicht erhalten: Im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein gab es keine derartigen Querungsanlagen mehr. Im 19. Jahrhundert begann dann der Verkehr in grösseren Städten zuzunehmen, primär in Form von Kutschen. Obwohl es bereits damals jährlich zu mehreren Todesfällen kam, wurde erst im 20. Jahrhundert über Strassenmarkierungen für Fussgänger*innen nachgedacht. Denn insbesondere mit dem Aufkommen des Automobils wurde es für diese immer gefährlicher, eine belebte Strasse zu überqueren.
In der Schweiz wird seit den 1930er-Jahren darüber nach- gedacht, wie man das «Fussvolk» an den richtigen Stellen über die Strassen leiten könnte. Ein erster Markierungs- versuch bestand aus grossen Eisennägeln, die man in den Strassenbelag hineinschlug. Eine andere Idee waren dia- gonale, farbige Markierungslinien. Strassenübergänge erhielten ihre gelbe Farbe jedoch erst 1936. Der Bundesrat orientierte sich dabei an den Schildern für Wanderwege, welche die auffällige Farbe seit 1934 verwendeten. Der erste Fussgängerstreifen, wie wir ihn in seiner heutigen Form kennen, entstand dann Ende der 1940er-Jahre. Hier machte der Kanton Basel-Stadt 1948 den Anfang: Der ers- te gelbe «Zebra-Fussgängerstreifen» wurde von der Zeit- schrift Automobil Revue als grosser Erfolg gefeiert, denn das Fussvolk hielt sich durch ihn «weit besser an die ihm zugewiesenen Passagen».
Interessant ist, dass die genannten Bemühungen allesamt darauf hinzielen, die Fussgänger*innen zu «erziehen» – und weniger, sie zu schützen. Das zeigt sich auch am Um- stand, dass Fussgängerstreifen ursprünglich nur als Mar- kierungen aufgefasst wurden. Erst mit der Normierung wurde erkannt, dass man sie wie ein Bauwerk planen muss und dabei betriebliche und umfeldbedingte Einflüsse einbeziehen sollte. Ein weiterer Hinweis ist die gesetzliche Vortrittsregelung: Am Anfang mussten Fussgänger*innen in der Schweiz per Handzeichen signalisieren, dass sie die Strasse überqueren wollen. Dieses Obligatorium endete 1994, wodurch Fussgänger*innen uneingeschränkten Vor- tritt auf dem Fussgängerstreifen er- hielten. Eine Bestrafung für Fahrzeuglenkende, die diesen Vortritt nicht gewährten, wurde zwölf Jahre später eingeführt.
Die Verkehrssicherheit begann sich im Verlaufe der Jahre stärker mit dem Fussverkehr und dessen Schutz zu befas- sen. Dass sich hier einiges getan hat, zeigen auch Statisti- ken. In der Schweiz gibt es die Beratungsstelle für Unfall- verhütung (BFU), welche jährlich die Publikation «Sinus» herausgibt. Dieser Bericht analysiert das Sicherheitsni- veau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr. Die aktuellste Ausgabe (Sinus 2022) zeigt: Die Unfälle von Fussgänger*innen mit tödlichen und schweren Verletzungen sind innerhalb eines Jahrzehnts um 31% zurückgegangen. Damit bewegt sich der Fussverkehr auf Schweizer Strassen heutzutage sicherer als noch vor zehn Jahren. Um diesen Trend weiterführen zu können, braucht es jedoch kontinu- ierlich Handlungsbedarf, wie auch BFU-Direktor Stefan Siegrist im Vorwort des Berichts sagt: «Sichere Strassen gibt es nicht geschenkt.»