Alle Jahre wieder

https://unsplash.com/photos/hvPJALbgfvI
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Format
Bericht
Veröffentlicht am
01. Dezember 2022
Lesedauer
3 Minuten

Neujahrsvorsätze – Wer kennt sie nicht? Jahr für Jahr nimmt man sich kurz vor Jahreswechsel vor, auf die Ernährung zu achten, mehr Sport zu treiben, die Bildschirmzeit zu reduzieren oder mit dem Rauchen aufzuhören. Doch der anfängliche Elan verfliegt und es wird zunehmend schwerer, alte Gewohnheiten abzuschütteln. Tatsächlich verfügt nur jeder Fünfte über genügend Selbstdisziplin, um an Silvester guten Gewissens neue Vorsätze zu fassen. 

Elena Arnold, Kulturwissenschaften

Nach all den Jahren, in denen ich meine Vorsätze nach wenigen Wochen aufgab oder schlichtweg vergass, fasste ich den Entschluss, dass ich dieses Jahr meine Strategie ändern möchte. Um einmal zur siegreichen Gruppe zu gehören, die jeweils am Silvesterabend mit der Erfüllung ihrer Vorsätze prahlen kann, brauchte ich einige klare Regeln. So beschränkte ich mich auf einen einzigen Vorsatz, der zugleich messbar und realistisch war. 

Mit diesen Parametern begab ich mich auf die Suche und scrollte durch das Internet. Schon bald stiess ich auf das Winterbaden. Dieser ursprünglich aus Skandinavien stammende Trend boomt seit einigen Jahren auch in der Schweiz. Rund um den Vierwaldstättersee ist er kaum mehr wegzudenken. So fand beispielsweise am vergangenen Sonntag bereits das 29. Samichlaus-Schwimmen in Merlischachen (SZ) statt. 

Unzählige Artikel preisen die sagenhaften Vorteile des Winterbadens an: Nicht nur würde das Immunsystem gestärkt und Stress abgebaut werden, sondern es würde auch glücklicher machen. Dabei besteht der Sinn und Zweck des Badens in kalten Wassertemperaturen darin, dass der Körper auf die extreme Kälte reagiert, indem die Blutgefässe sich weiten. Dadurch kann das Blut rascher zirkulieren, was wiederum dazu führt, dass der Körper Wärme produziert. Dieser Mechanismus stabilisiert den Kreislauf. 

Disclaimer: Das Winterbaden birgt viele Risiken wie beispielsweise Kälteschock, Unterkühlung und Schwimmversagen. Das Winterbaden ist nicht für jeden geeignet und sollte bei Herzkrankheiten, Kreislaufproblemen, Bluthochdruck, Asthma und Schwangerschaft unbedingt vermieden werden. Bei Vorerkrankungen empfiehlt es sich, vorgängig einen Arzt zu konsultieren. Weitere Informationen sind hier zu finden. 

So kam es, dass ich am 1. Januar 2022 um 8.00 Uhr morgens zitternd im Badeanzug am Seeufer stand. Schnell kam ich ins Grübeln und fragte mich: Ist das wirklich eine gute Idee? Ist es zu spät, um umzukehren und wieder ins Bett zu kriechen? Just in dem Moment sah ich zu meiner Überraschung zwei ältere Frauen in den See steigen. Langsam, aber stetig schritten sie keine 50 Meter neben mir ins eisige Blau, so dass man bald nur noch zwei Köpfe aus dem Wasser ragen sah. 

Nun blieb mir fast nichts anderes übrig, als es ihnen gleich zu tun. «Ist das kalt», rief ich etwas zu laut aus, als ich die Füsse ins Wasser hielt. Doch tapfer ging ich voran und ehe ich mich versah, reichte mir das eiskalte Wasser sprichwörtlich bis zum Hals. Doch nach einer Weile verflog die Kälte. Entweder hatte sich mein Körper akklimatisiert, oder – und das war wahrscheinlicher – er war inzwischen taub. So oder so beschloss ich, da der See mit seinen unbeschreiblich blaugrauen Farben geradezu einladend wirkte, einige Züge zu schwimmen. 

Regeln für das Winterbaden: 

– Gehe niemals allein in den See.
– Es empfiehlt sich einer Winterschwimmgruppe anzuschliessen, die notfalls eingreifen kann. Informationen zur Winterschwimmgruppe Luzern sind hier zu finden.
– Gehe niemals zu schnell in den See. Der Körper braucht Zeit, um sich an die kalte Wassertemperatur zu gewöhnen.
– Bleibe nie länger als 5 Minuten im Wasser
– Bei Muskelkrämpfen oder Schwindel sofort das Wasser verlassen.
– Es empfiehlt sich vor dem Winterbaden einige Aufwärmübungen zu machen.Es empfiehlt sich bereits im Spätherbst regelmässig in den See zu steigen, so dass sich der Körper allmählich an die immer kälter werdende Wassertemperatur gewöhnen kann.

Weitere nützliche Informationen zur Vorbereitung sind hier und hier zu finden.

Wieder am Ufer stehend, fühlte ich mich erfrischt und energiegeladen – bereit für das neue Jahr. Doch das war erst der Anfang. Vorgenommen hatte ich mir, wöchentlich in den See zu steigen. 

Jetzt Ende November kann ich eine erste Bilanz ziehen: Wie zu erwarten, verflog die anfängliche Euphorie rasch. Trotzdem hielt ich den Januar und Februar durch. Belohnt wurde ich mit einem milden Frühling und der Gang in den See fiel mir von Mal zu Mal leichter. Während die Sommermonate eine regelrechte Wohltat waren, wurde es Anfang Oktober weitaus schwieriger mich aufzuraffen. Aber ich wollte nicht aufgeben, nicht diesmal. Dann geschah vor wenigen Wochen etwas Erstaunliches: Mit der sinkenden Wassertemperatur verstärkte sich das Hochgefühl. Die beim Winterbaden ausgeschütteten Endorphine heben nachweislich die Stimmung und sind mitunter ein Hauptgrund, weshalb sich der Trend überhaupt als Massenphänomen etablieren konnte. Auch mich treibt die Jagd nach diesem Glücksgefühl Woche für Woche in den See und zum ersten Mal sieht es ganz danach aus, dass die Prahlerei am Silvesterabend mir gebührt. 

Weitere Quellen:
Informationen zu den Statistiken zu Neujahrsvorsätzen sind hier zu finden.
Informationen zum Sinn und Zweck des Winterbadens sind hier zu finden.  
Titelbild

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