Es ist einer dieser kleinen Aspekte des Alltags, den wir kaum bemerken: mit welcher Hand wir den Stift beim Schreiben halten. Auch bei anderen Tätigkeiten erfolgen die Handbewegungen weitgehend automatisiert, sodass wir nicht erst überlegen müssen, mit welcher Hand wir etwas machen oder greifen. Aber warum ist das eigentlich so?
Valentina Meyer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Die bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand wird im Allgemeinen als Händigkeit bezeichnet. Je nachdem, welche Hand die dominante Hand ist, spricht man von Links- oder von Rechtshänder*innen. «Bist du Rechts- oder Linkshänder*in?» ist eine Frage, die sicherlich alle schon mehrmals gehört haben. Weiter ist bekannt, dass es mehr Rechts- als Linkshänder*innen gibt. Wie gross der Anteil dieser zwei Arten von Händigkeit in der Bevölkerung tatsächlich ist, lässt sich allerdings nicht klar sagen. Grund dafür sind unterschiedliche Definitionen von Händigkeit sowie unterschiedliche Methoden, Händigkeit zu messen. Dies führt dazu, dass es zwar viele Studien zum Thema gibt, doch deren jeweilige Angaben variieren stark.
Warum haben Menschen überhaupt unterschiedlich dominante Hände?
Die Medizin- und Forschungsgemeinschaft ist hier noch zu keinem eindeutigen Konsens gekommen. Ein populärer Ansatz ist die bilaterale Koordinationstheorie. Sie besagt, dass Dominanz durch die Zusammenarbeit beider Hände entsteht. Die dominante Hand ist demnach die «Arbeiterhand», welche die meisten feinmotorischen Bewegungen ausführt, und die nicht dominante Hand ist die «Helferhand», die grobmotorische Fähigkeiten (bspw. das Halten oder Stabilisieren von Gegenständen) erledigt. Ziel dieser Dominanzzuweisung ist die Steigerung der Effizienz: Feinmotorische Aufgaben seien so besonders gut zu meistern. Das scheint zunächst plausibel, führt allerdings zur Frage, warum wir denn nicht alle «gleichhändig» sind. Was bestimmt denn nun die Händigkeit eines Menschen? Spoiler: Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Zwei bislang plausible Erklärungen werden in der Genetik sowie der Umwelt gesehen.
Ein Blick in die Genetik
Biopsycholog*innen der Ruhr-Universität Bochum vertreten die Ansicht, dass Händigkeit genetische Ursachen hat und bereits im Mutterleib ausgebildet wird. In einer Studie aus den 1980er-Jahren wurden Genexpressionen im Rückenmark von ungeborenen Kindern während der achten bis zwölften Schwangerschaftswoche analysiert. Schon in dieser Entwicklungsphase seien deutliche Rechts-Links-Unterschiede sichtbar. Zu diesem Zeitpunkt ist der motorische Cortex in der Grosshirnrinde – das ist der Bereich, der für Arm- oder Handbewegungen zuständig ist – aber noch nicht mit dem Rückenmark verbunden. Forscher*innen schlussfolgerten daraus, dass der Grund für die Rechts-links-Präferenz im Rückenmark liegen muss und Händigkeit wenig mit dem Gehirn zu tun hat.
Die Bedeutung von Umwelteinflüssen
Eine fast noch wichtigere Rolle spielen jedoch Umweltfaktoren. Die eben erwähnten Biopsycholog*innen erklären sich diese asymmetrische Genaktivität im Rückenmark unter anderem durch Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Stress während der Schwangerschaft oder hormonelle Effekte. Gerade die Auswirkung von Testosteron könnte erklären, warum im Schnitt mehr Männer als Frauen Linkshänder sind. Nicht zu vernachlässigen ist aber auch das soziale Umfeld und die Kultur, in der ein Kind aufwächst. Beispielsweise gilt in islamischen Ländern die linke Hand als «unrein», da sie für die Toilettenhygiene gebraucht wird. Aber auch in der Schweiz gab es bis in die 1970er-Jahre eine starke Norm zu Rechtshändigkeit, weshalb Kinder spätestens bei der Einschulung zur Benutzung der rechten Hand gezwungen wurden. Heute ist dem nicht mehr so, denn psychologische Studien ergaben, dass die Umschulung zu schwerwiegenden Problemen wie bspw. Sprachstörungen oder Legasthenie führen kann.
Es lässt sich abschliessend nicht eindeutig sagen, ob es tatsächlich ein spezifisches Gen in unserem Körper gibt oder ob es das soziale und kulturelle Umfeld ist, das die Händigkeit bestimmt. Interessant ist das Thema aber trotzdem, denn neben Links- und Rechtshänder*innen gibt es noch andere Formen von Händigkeit, wie beispielsweise Beid- und Mischhänder*innen. Warum es auch solche gibt und wieso eigentlich gerade Rechtshänder*innen in der Mehrzahl sind, sind Fragen, die einmal mehr erkennen lassen, wie faszinierend komplex und vielfältig die Spezies Mensch ist.