Politisieren geht über Studieren

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Bericht
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4 Minuten
Veröffentlicht am
3. März 2022 im Print

Samuel Zbinden studiert PPE an der Uni Luzern. Daneben ist er auch in der Politik tätig: Unter anderem als jüngster Kantonsrat Luzerns. Wie bringt er Studium und Politik unter einen Hut?

Reto Walpen, Philosophy, Politics and Economics

Eine Staatsebene ist Samuel Zbinden nicht genug: Er ist Präsident der Grünen Sursee, Luzerner Kantonsrat, und in der Geschäftsleitung der Jungen Grünen Schweiz. Studieren wirkt da schon fast nebensächlich. Wie lässt sich das zusammenbringen? Und wofür würde er sich entscheiden, wenn plötzlich nur noch Studium oder Politik möglich wäre?

Diese Fragen klären wir später. Fangen wir von vorne an.

Samuels politische Karriere begann aus ganz persönlichen Gründen: 2016, als der Kanton Luzern als Folge von Steuersenkungen unter anderem im Bereich Bildung sparen musste, war er gerade Schüler an der Surseer Kantonsschule. Das fehlende Geld machte sich rasch bemerkbar, wie er sagt: «Die Lehrpersonen mussten mehr arbeiten, es gab Sparferienwochen, Freifächer wurden teurer…» Samuel und viele andere Schüler*innen wollten das nicht einfach auf sich sitzen lassen: Zusammen mit Schüler*innenorganisationen plante er Protestaktionen, was ihm bereits eine erste kleine Welle regionaler Bekanntheit bescherte. Im Herbst des gleichen Jahres trat er den Jungen Grünen bei, um auch in der institutionellen Politik stärker mitreden zu können.

«Ganz ernst genommen wird man dann also doch nicht immer»

Drei Jahre später, bei den Luzerner Kantonsratswahlen 2019, wurde Samuel mit 4091 gültigen Stimmen zum jüngsten Mitglied des Kantonsrats gewählt. Das Durchschnittsalter der Luzerner Kantonsrät*innen liegt bei 49 Jahren. Mit seinen 22 Jahren könnten viele im Kantonsrat seine Eltern sein. Das mache sich schon bemerkbar, so Samuel: «Oft werde ich gelobt, wie toll es doch sei, dass ich mich als junger Mensch politisch engagiere. Dennoch fühlt es sich häufig auch bevormundend an. Das zeigt sich besonders, wenn ich ein Votum halte, in dem ich kritische Positionen einnehme, und diese gleich als daneben und provokativ empfunden werden. Das wäre bei älteren Ratskolleg*innen wohl nicht im gleichen Mass der Fall. Ganz ernst genommen wird man dann also doch nicht immer.»

Davon lässt sich Samuel aber nicht beirren. Er sieht sich in der Verantwortung, sich explizit für Themen einzusetzen, die jungen Menschen wichtig sind. Sein Fokus liegt daher besonders auf zwei Themen: Zum einen, für einen Grünen wohl wenig überraschend, die Klimapolitik. Die Klimakrise trifft zwar alle, aber nicht alle gleich. Junge Menschen werden länger und mit schwereren Folgen umgehen und leben müssen.

Das zweite Thema, für Samuel nicht weniger selbstverständlich, ist die Partizipation der Jugend in der Politik. So forderte er beispielsweise mit einer Einzelinitiative im Kantonsrat, das aktive Stimmrechtsalter auf 16 Jahre herunterzusetzen. Eine Forderung, die vom Parlament im vergangenen Dezember knapp mit 58 zu 61 Stimmen abgelehnt wurde. Mit dem Nein folgte es der Entscheidung der zuständigen Kommission. Das war natürlich eine Enttäuschung. Doch kam Samuel damit bereits weiter als das letzte Mal, als diese Forderung gestellt wurde: Damals, vor sieben Jahren, befasste sich die Kommission nicht einmal mit dem Vorhaben.

Und das Studium?

Grundsätzlich ist das Luzerner Parlament, genau wie alle anderen Schweizer Kantonsparlamente, ein Milizparlament. In Luzern heisst das, dass sich die Volksvertreter*innen etwa einmal monatlich zur zweitägigen Session treffen. «Um die Session herum wird die Politik dann aber fast schon zum Vollzeitjob», meint Samuel. Fraktions- und Kommissionssitzungen, Vorstösse schreiben, Voten halten, Mehrheiten finden, und natürlich die Sessionssitzungen selbst. All das nimmt Zeit in Anspruch. Damit ist es mit der politischen Aktivität des Jungen Grünen aber noch nicht getan. Demos, Unterschriftensammlungen, lokale Treffen und andere Aktionen reihen sich stetig aneinander. Das Studium scheint fast schon unterzugehen.

Dies zu behaupten, ist dann aber doch etwas übertrieben. Denn das Studium an der Uni Luzern passe gut zu Samuels Alltag, wie er sagt: «Es ist immer wieder eine Challenge, alles zu arrangieren. Aber ich kann sehr frei entscheiden, wie viele Credits ich pro Semester holen und wie ich alles planen will. Wenn ich nicht 30 Credits pro Semester mache und mir die Tage sinnvoll einteile, klappt das immer irgendwie.»

Samuels Ziel: Der Bachelorabschluss in acht Semestern. Momentan ist er im sechsten. Das Ziel scheint erreichbar.

Hilft das Studium der Politik?

Das PPE-Studium ist für ihn nicht nur aus organisatorischen Gründen passend, sagt Samuel. «Der interdisziplinäre Aspekt ist enorm spannend und hilft mir auch durchaus bei der politischen Arbeit. Sowohl wirtschaftliche Fragen, philosophische Grundhaltungen wie auch politische Prozesse können je nach Situation wichtig zu verstehen sein.» Interessanterweise sei es aber ausgerechnet der politikwissenschaftliche Teil des Studiums, welcher im Alltag als Parlamentarier doch am wenigsten nütze. Denn: «Die Prozesse sind für uns im Parlament eher weniger wichtig als die tatsächlichen Inhalte, mit denen wir uns beschäftigen.»

Auch Samuels Haltungen zu bestimmten Sachfragen haben sich weiterentwickelt. «Ich denke nicht, dass ich Themen nun ganz anders sehe, aber einige Meinungen kann ich jetzt sicher differenzierter beschreiben, » sagt er. Besonders die Kenntnisse im wirtschaftspolitischen Bereich hätten dazu beigetragen.

Nun aber noch eine Frage: Du hast die Wahl zwischen Studium und Politik. Beides geht nicht mehr. Wofür entscheidest du dich?

«Da müsste ich mich für die Politik entscheiden. Sicher möchte ich einen Abschluss machen, aber die Politik ist einfach meine grosse Leidenschaft. Das will ich nicht aufgeben.»

Tun, was einen erfüllt. Sicher keine schlechte Idee.

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