Statt zum Shoppen fährt Barbie heute auf Black-Lives-Matter-Proteste. Neue, diversere Kollektionen sollen der Marke zum Comeback verhelfen. Seit Corona scheint der Plan aufzugehen.
Marielle Heeb, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Design: Sonja Wiedmer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
«I’m a barbie girl, in a barbie world, life in plastic, it’s fantastic»: Wer kennt diese Liedzeile von Aqua aus dem Jahr 1997 nicht? Darin wird die Puppe als Bimbo besungen, ein Püppchen, welches ein oberflächliches Dasein führt und ihren Sinn im Gefallen der Männer findet.
Die US-Marke Barbie aus dem Hause Mattel gibt’s seit 1959. Seither ist die Spielzeugpuppe aus kaum einem Kinderzimmer wegzudenken. Mit ihrem weiblichen Körper, geschminkten Gesicht, Accessoires und ihrem schwarz-weiss gestreiften Badeanzug unterschied sie sich damals stark von den bisher bekannten Spielzeugpuppen für Kinder. Diese stellten meist Kleinkinder dar, Barbie aber war eine der ersten Teenie-Puppen überhaupt. Sie sollte damit ein Vorbild für junge Mädchen sein, welche ihre Ziele und Träume auf die Puppe projizieren konnten.
So fuhr Barbie im pinken Lamborghini zum Shoppen umher, hatte perfekt gestylte Haare, Füsse in High Heels-Form und vermittelte unmöglich zu erreichende Körperideale. Im Laufe der Zeit wurde ihre Wespentaille immer dünner, ihr Hals immer länger. Mit ihren Proportionen wäre die Puppe laut Medizinern gar nicht überlebensfähig. So steht die Barbie-Ikone auch heute noch für sexistische Geschlechterklischees und Schönheitsideale, die mehr als fragwürdig sind.
Barbie geht heute demonstrieren
Und trotzdem: Es tut sich was. Die ersten unabhängigen und mit Barbie auf gleicher Stufe stehenden Puppen waren die «Diversity Barbies» mit afroamerikanischem und lateinamerikanischem Einfluss. Diese erschienen Anfang der 80er-Jahre im Zuge der Bürgerrechtsbewegung. Danach geschah lange nichts. 2015 launchte die Marke eine neue Puppenreihe mit acht verschiedenen Hauttönen, 2016 folgten vier verschiedene Körpertypen, zahlreiche Frisuren und verschiedene Augenfarben. Statt zum Shoppen geht Barbie heute auf Black-Lives-Matter-Demonstrationen. Ausserdem gibt‘s Puppen mit Beinprothese, im Rollstuhl oder ohne Haare oder mit Hijab, als Feuerwehrfrau, Astronautin oder Skifahrerin bei den Paralympics. Um den Kindern zu beweisen, dass sie alles werden können, stellt Barbie inspirierende Frauen ins Zentrum und erzählt ihre Geschichten: So verkauft die Marke eine Rosa Parks-Puppe, und auch Tennisspielerin Naomi Osaka oder Bürgerrechtlerin Maya Angelou sind im Massstab 1:6 als Barbies erhältlich.
Auf ihrem eigenen Youtube-Kanal klärt Barbie junge Mädchen über Mobbing, Stromverschwendung, Depressionen oder den Hispanic Heritage Month auf. Die neue Barbie-Kollektion «Barbie Loves the Ocean» besteht zu 90 Prozent aus gesammeltem Plastik. Auch die Verpackungen von Barbie sollen neu zu 95 Prozent aus recyceltem Material bestehen.
Alle diese Entwicklungen – aber wohl vor allem auch Corona – haben der Kultpuppe zum Comeback verholfen. Nach Jahren der Kritik und Umsatzeinbussen verzeichnet der Spielzeughersteller Mattel nun einen regelrechten Barbie-Boom. 2020 stiegen Barbie-Bruttoumsätze um 16 % und erreichten im dritten Jahr in Folge Milliardenumsätze. In den ersten drei Quartalen von 2021 erwirtschaftete die Marke Barbie einen Bruttoumsatz von 555,2 Millionen Dollar, was mehr als einen Viertel des gesamten Bruttoumsatzes von Mattel darstellt.
Wie kann es also sein, dass diese Diversity-Taktik die Barbie wieder zu einem Verkaufsschlager hat werden lassen? Vor allem, nachdem die Marke jahrelang in öffentlicher Kritik stand und das Sinnbild für unrealistische Schönheitsideale schlechthin war? Ein Blick in die Ansätze der Organisationskommunikation soll diese Fragen klären.
Werte der Zivilgesellschaft sind Werte der Unternehmen
Grundsätzlich ist es für Unternehmen wichtig, dass sie sich strategisch in die Umwelt, in welcher sie sich bewegen, einbetten. Soll heissen, dass sie wirtschaftliche und soziale Bedingungen, in den Gemeinschaften, in welchen sie agieren, in ihr Geschäftsmodell implementieren und fördern. So verbessert sich gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Sogenannte “Shared Values” – mit der Kundschaft geteilte Wertvorstellungen – sind für den Erfolg einer Marke essentiell. Sie könnten auch der Grund sein, warum die Marke Barbie nach Jahren der Einbussen wieder mehr Umsatz verzeichnet. Indem die Marke mit ihren neuen Kollektionen, ihren Werbekampagnen und ihrem Internetauftritt die Diversität ins Zentrum stellt, kommuniziert sie ihrer Kundschaft eine Offenheit gegenüber inklusiven Themen.
Es geht dabei nicht darum, wie oft die “Diversity Dolls” tatsächlich über den Ladentisch gehen. Zahlreiche Berichte deuten nämlich darauf hin, dass es immer noch das Barbie-Urbild ist, welches sich besonders gut verkauft. Viel wichtiger für die Marke sind aber die Werte, welche ihr zugeschrieben werden. Barbie kämpft mit allen Mitteln, um von Zuschreibungen wie pink, blond oder sexistisch wegzukommen. Sie will mit Trends der Digitalisierung, der Diversität, der Nachhaltigkeit und der Gleichstellung assoziiert werden. Youtube-Videos, recycelte Verpackungen und acht verschiedene Hauttöne scheinen da zu helfen.
Inwiefern die zunehmende Puppen-Diversität eine Art Beschwichtigung für zunehmende kritische Stimmen oder doch ein erster Schritt in Richtung einer inklusiveren Welt ist, wird sich zeigen. Fest steht, dass in Ladenregalen noch immer die Barbie mit blonden, langen Haaren, blauen Augen und High Heels dominiert. Die herkömmliche Barbie ist trotz aller Werbestrategien noch immer in vielen Köpfen als Idealbild verankert.