Die Universität Luzern setzt sich für Frauenrechte, für eine klimafreundlichere Mensa und für die Unterstützung von Menschen mit Behinderung ein. Wie steht es um die queeren Studierenden? Mit diesem Bericht sollen die Erfahrungen von queeren Menschen an der Uni Luzern erläutert werden.
Shey Caroli, Kulturwissenschaften
Ilustration: Selma Badic, Soziologie
Zuallererst war es für mich wichtig herauszufinden, wieso sich die Befragten für diese Universität entschieden hatten, da es auch hier eventuell schon Erwartungen an die LGBT+-Akzeptanz und -Sichtbarkeit gibt. Alle Namen wurden anonymisiert.
Colette, die aus Luzern stammt, fühlte sich nicht nur durch das Heimatsgefühl angesprochen, sondern auch durch die Grösse der Universität selbst. Eine kleinere Universität bietet nämlich mehr Möglichkeiten für persönliche Kontakte. Für Barbara war es hingegen eine eher pragmatische Entscheidung, da sie sich keine WG leisten kann und das Pendeln nach Luzern keines grossen Zeitaufwandes bedarf. Auch Jean hat bei der Entscheidung auf Elemente wie die Nähe zum Wohnort, Rankings verschiedener Universitäten und Förderangebote geachtet und für eine gewisse Zeit sogar an der Uni gearbeitet. Charlie hingegen studierte zuvor an einer anderen Uni, war aber nach dem Ausschluss seines Studienganges so sehr vom Angebot der Universität Luzern angesprochen, dass er hier einen neuen Versuch wagte.
Sitzt mein Regenbogen-Accessoire?
Im zweiten Teil des Interviews legte ich den Fokus auf die Queerness meiner Interviewpartner*innen und auf das Erleben des queeren Alltags an der Universität Luzern. War der Anfang schwer? Fühlten sie sich willkommen? Waren andere Queers und die Community sichtbar?
Jean hat von allen Befragten am frühesten das Studium an der Universität Luzern begonnen und war damals nur bei einigen Freunden geoutet. Eine sichtbare Community, an die sich Jean hätte wenden können und so eventuell auch auf dem Campus hätte politisch aktiv werden können, wäre hilfreich gewesen. So wurde der Anschluss an queere Mitstudierende für Jean schwer: «Ich hatte während des Studiums, soweit ich weiss, nur mit Cis-Hets zu tun.» «Cis-Hets» ist eine Kurzform von Cisgender und Hetero. Cisgender sind diejenigen Menschen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.
Colette erwartete zu Beginn des Studiums ein offenes Umfeld, in welchem sowohl von den Dozierenden als auch von den Studierenden eine hohe Akzeptanz ausgeht. Diese Erwartungen wurden erfüllt. Eine LGBT+-Studi-Gruppe hat sie allerdings nicht gefunden. Das Fehlen einer solchen Vereinigung machte es Colette schwer, Kontakte zu knüpfen. «Aber da mir die Vernetzung von Queers innerhalb der Uni am Herzen lag, versuchte ich selbst, eine solche Gruppe auf die Beine zu stellen.» Daraufhin gründeten sie und einige Mitstudierende den Verein QueerUnity. Dieser Verein veranstaltet regelmässig Stammtische. Es werden aber auch gemeinsam Events besucht, wie zum Beispiel das Pink Panorama Festival.
Barbara hatte sich ebenfalls erhofft, an der Universität Luzern auf mehr Mitstudierende zu treffen, die der LGBT+-Community angehören. Sie war sich von Anfang an sicher, dass dieses Thema in Luzern zumindest auf mehr Offenheit treffen würde als in ihrer Heimat, dem Kanton Uri. Aufgrund der Corona-Pandemie kam sie bisher leider kaum in Kontakt mit anderen Studierenden oder dem Unileben im Allgemeinen. Ein positiver erster Eindruck blieb trotzdem! Denn während den Einführungsveranstaltungen sei ihr neben diversen Sportangeboten auch der Verein QueerUnity nähergebracht worden. Der Verein habe schliesslich den Anschluss an Gleichgesinnte erleichtert. Selbst wenn pandemiebedingt nur selten persönliche Treffen möglich waren, fühlt sich Barbara im Verein involviert und willkommen.
Charlie startete sein Studium mit viel Hoffnung auf neue queere Kontakte. Ihm war es auch möglich, solche zu schliessen. Leider habe man sich entweder aus privaten Gründen wieder auseinandergelebt oder ein Universitätswechsel führte unmittelbar zu weniger bis gar keinem Kontakt mehr. «Einfach war es nicht, an andere Queers anzuschliessen. Ich bin eher schüchtern und es fällt mir schwer, auf andere zuzugehen.» Auch er hat schon an Treffen der QueerUnity teilgenommen. Meistens passte es aber zeitlich nicht, wodurch er die Menschen im Verein nur oberflächlich kennenlernen konnte.
Welchen Eindruck hinterlässt die Unilu bei queeren Studierenden?
Anschliessend wollte ich herausfinden, wie meine Interviewpartner*innen die Universität Luzern als Infrastruktur wahrnehmen und ob sie mit der Handhabung von queeren Themen zufrieden sind.
Jean erklärte mir, dass LGBT+-Rechte im Rechtsstudium zur Sprache kommen. Problematisch sei, dass queere Menschen in der Schweiz noch keine rechtliche Gleichstellung erfahren. Ob sie dieselben Rechte verdienen wie heterosexuelle cis-Menschen oder nicht, wird als politische Diskussion angesehen, bei der man die eine oder die andere Seite vertreten kann. Würde eine Lehrperson die Meinung vertreten, dass man aufgrund bestimmter Hautfarben nicht heiraten dürfe, würde das einen Aufschrei verursachen. «Die Meinung, dass zwei gleichgeschlechtliche Menschen nicht heiraten sollen, wird hingegen aufgrund des politischen Klimas als salonfähig angesehen.»
Bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät wird das Thema LGBT+, Jeans Meinung nach, unterschiedlich behandelt. Es gebe Dozierende, die dieses Thema totschweigen und auf diese Art eine allfällige Abneigung zu verstehen geben. Es gebe aber auch Dozierende, die dieses Thema ausdrücklich unterstützen und zum Schreiben einer Arbeit darüber ermutigen. «Ein Professor hat sich beispielsweise bemüht, den homophoben Ansichten eines Austauschstudenten mit Fakten und Argumenten entgegenzuhalten.» Jean bekam während der Tätigkeit an der Universität auch von Arbeitskollegen homophobe und abschätzige Aussagen zu hören.
Barbara, die erst vor kurzem mit ihrem Rechtsstudium begonnen hat, konnte positive Erfahrungen machen. Ihrem Empfinden nach wird dieses Thema nämlich offen und natürlich behandelt. Besonders bei ihren Mitstudierenden stiess sie auf Akzeptanz und sieht keinen Platz für Homophobie oder Transphobie an der Universität Luzern.
Für Colette gehen die Universität und die Dozierenden insgesamt sehr respektvoll mit diesem Thema um. Ihr gefällt, dass immer wieder Seminare angeboten werden, die LGBT+-Themen aufgreifen und behandeln. Grundsätzlich gibt die Universität ihr den Raum, sie selbst zu sein. Doch sie schliesst nicht aus, dass in Einzelfällen die Akzeptanz nur eine Fassade ist und dass es doch auch homophobe oder transphobe Menschen geben kann. Es fällt ihr leicht, sich an der Universität zu outen, da sie trotz Ungewissheit mit Akzeptanz rechnet. «Ausserdem gibt es von Seiten der Fachstelle für Chancengleichheit immer wieder Bemühungen, Diskriminierungen zu erfassen und darüber zu informieren.»
Verbesserungsvorschläge direkt von der Quelle
Zuletzt war es relevant zu fragen, was sich denn nun meine queeren Interviewpartner*innen von der Universität wünschen.
Insgesamt besteht der Wunsch nach mehr Seminaren im Bereich der gender studies. Es gibt auch ein Bedürfnis nach einer deutlichen Zeichensetzung. Zum Beispiel wünscht sich Jean, dass die Universität Luzern in irgendeiner Form ein Zeichen für die Ehe für alle setzen wird, vielleicht auch direkt zusammen mit dem universitätseigenen Verein QueerUnity. Auf diese Weise könnte die Universität bei einer wichtigen Entscheidung mitwirken und ihre Position um queere Anliegen äussern.
Die letzten 3-4 Jahre haben definitiv einige positive Veränderungen mit sich gebracht, wie man auch an der von Studierenden gegründete QueerUnity sehen kann. Es gibt noch einiges, was getan werden kann, um eine queer-freundliche Atmosphäre zu fördern. Letztendlich erleben nicht alle queeren Studierenden das Uniklima auf die gleiche Art. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät wird dabei öfters kritisiert und gefürchtet, während die KSF den Ruf geniesst, sehr inklusiv und offen zu sein.
Letztendlich ist es weiterhin wichtig als Universitäre Struktur, die Akzeptanz gegenüber Minderheiten zu fördern und sich für Gleichberechtigung einzusetzen.