Aus Plastik wird Hoffnung

Format
Bericht
Lesedauer
4 Minuten
Veröffentlicht am
26. Januar 2021

Um die Doku «Projekt Hoffnung» zu drehen und so die Aufmerksamkeit auf das Plastikproblem in Indonesien zu lenken, reisten Corina Rainer und Somara Frick vier Wochen lang nach Indonesien. Obwohl nicht alles nach Plan lief, kamen die beiden mit vielen spannenden Eindrücken zurück, die sie in ihrem Film festhielten. LUMOS hat die beiden Filmemacherinnen für euch interviewt.

Lara Härri, Rechtswissenschaften

Die Doku handelt vom Plastikproblem in Indonesien und wurde am Samstag vom Frachtwerk veröffentlicht. Corina und Somara begleiteten eine Maschine auf die abgeschiedene Insel Medang, die verspricht, durch Pyrolyse, einem thermo-chemischen Umwandlungsprozess, Plastik in Benzin, Diesel und Kerosin umzuwandeln. Doch diese Maschine zu Gesicht zu bekommen, erwies sich als schwieriger als gedacht. Als die beiden Schweizerinnen in Asien ankamen, erfuhren sie, dass die Protagonisten abspringen, da sie die Maschine viel später als geplant in Betrieb nehmen wollten. Somit mussten sich Corina und Somara auf einen ganz neuen Weg einlassen. Schlussendlich haben sie die Maschine jedoch nicht nur zu sehen bekommen, sondern konnten auch Live dabei sein, als sie auf der abgeschiedenen Insel in Medang in Betrieb genommen wurde. Wer sich dafür interessiert, wie eine solche Maschine aussieht, findet die Antwort in der Dokumentation.

Corina, du wolltest in Indonesien ursprünglich ein Fotoprojekt machen. Weshalb seid ihr schlussendlich mit einer Doku über das Plastikproblem in Indonesien zurückgekommen?

Per Zufall waren wir damals nach Ende des Studiums einen Kaffee trinken. Da wir beide ein Praktikum in der Dokumentarfilmbranche gemacht haben, wollten wir es einfach mal selbst probieren. Als wir dann mit der Gründerin der Organisation Bandasea Kontakt aufgenommen haben, sie ist eine Deutsche Meeresbiologin, erzählte sie uns von einer neuartigen Maschine, die aus Plastik Benzin herstellen konnte. Wir fanden das Thema sehr spannend und dachten uns, dass darin Potenzial für einen Dokumentarfilm stecken könnte.

Was sind die erstaunlichsten Erlebnisse oder Erkenntnisse, die ihr während des Drehs hattet?

Bei uns lief nichts nach Plan. Unsere Protagonisten waren am Ende des Drehprozess komplett anders als ursprünglich erwartet. Das stellte sich aber als Glücksfall heraus. Es war einfach sehr eindrücklich, wie sich während unserer vier Wochen in Indonesien alles perfekt ergab. Die Geschichte für den Film ergab sich Stück für Stück, auch wenn zwischenzeitlich alles immer wieder sehr chaotisch war. Erstaunlich für uns war zudem, dass auch hinter Umweltschutzprojekten primär finanzielle Interessen stehen: So erhoffte sich der Ingenieur Agus durch die Pyrolyse einen neuen Einkommenszweig und wollte Treibstoff für sein Taxiunternehmen generieren; Aktivistin Lisa plante auf dem zukünftig sauberen Medang ein Tourismusresort; der Dorfchef der Insel wollte mehr Fördergelder der Regierung und so weiter.

Die Macherinnen von «Projekt Hoffnung», Corina Rainer und Somara Frick

Was haltet ihr persönlich von der Pyrolyse? Wäre diese auch in Europa sinnvoll?

Wie der in der Dokumentation Interviewte Professor Doktor Aaron Praktiknjo sagt, Pyrolyse ist eine „Second-Best-Lösung“ – also nicht eine optimale. Wir sind keine Expertinnen in diesem Gebiet. Aber was wir wissen, ist, dass unsere Infrastruktur und die hochtechnologisierten Verbrennungsanlagen hier in Europa die bessere Lösung sind. Sie verfügen über eine bessere Energiebilanz und über Schadstoff-Filter für die Luft, was bei so einer einfachen Pyrolyse-Maschine, wie im Film gezeigt wird, nicht vorhanden ist. Eine Pyrolyse kann aber dennoch in gewissen Ländern ohne entsprechende Infrastruktur eine sinnvolle Lösung sein. Das heisst, wenn sonst keine bessere Möglichkeit besteht, den Abfall zu entsorgen und die Leute den Müll selbst verbrennen, was bekanntlich sehr giftig ist, oder ins Meer werfen.

In Indonesien ist die Situation speziell. Es gibt viele kleine, abgeschiedene Inseln, wie beispielsweise auch Medang, auf der wir gedreht haben. Würde man das Plastik von diesen abgeschiedenen Inseln zum Festland transportieren und dort korrekt entsorgen, bräuchte man sehr viel Treibstoff. Somit könnte man argumentieren, dass es mehr Sinn macht, direkt auf der Insel das Plastik mit einer Pyrolyse-Maschine zu verbrennen. Man müsste aber auch noch die Schadstoffe und die Tatsache, dass eine Pyrolyse-Maschine meistens mindestens so viel Energie frisst, wie sie am Schluss in Form von Benzin wieder hergibt, in die Rechnung miteinbeziehen.

Insofern ist es keine optimale Lösung, aber besser als keine. Wir sehen eine bessere Lösung darin, den Plastikkonsum auf der Insel zu reduzieren. Früher hatten die Menschen auf den Inseln nur organische Abfälle wie Bananenblätter und somit auch keine Plastikprobleme. Doch besonders die älteren Bewohner von Medang wissen kaum etwas über das globale Plastikproblem, die Folgen der Meeresverschmutzung oder über die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Bildung kann hier einiges ins Rollen bringen.

Inwiefern hat euch das Projekt persönlich im Umgang mit Plastik beeinflusst?

Corina: Ich bin umso dankbarer, dass es in der Schweiz solch gute Entsorgungssysteme gibt. Es ist für mich nicht mehr gleich selbstverständlich, einen Mülleimer auf der Strasse zu sehen. Ich versuche, wenn immer es geht, auf Plastik zu verzichten und kaufe sehr viele Produkte im Biomarkt ein, wo mehr wiederverwertbare Glasbehälter als Plastik verwendet werden. Ganz ohne Plastik geht es aber nicht, Plastik hat auch sehr viele gute Seiten und legitime Verwendungszwecke, gerade zum Beispiel in der Medizin. Aber meiner Meinung nach wäre es an der Zeit, dass Grosskonzerne ihre für Konsumgüter Verantwortung übernehmen: In Indonesien werden drei Deziliter Wasser in einer vierteiligen Einweg-Plastikverpackung verkauft: Becher, Deckel, Strohhalm, Strohhalmverpackung. Solche Dinge sind absurd, wenn man bedenkt, wie viel Plastik wir bereits auf der Welt haben.

Somara: Wie Aktivistin Lisa in unserem Film sagt: „Plastik ist nicht der Feind, sondern die Arten, wie wir ihn nutzen.“ Ich glaube, Lösungswege liegen in der technischen Innovation der Wiederverwertung von Kunststoffprodukten. Und zwar so, dass es auch wirtschaftlich Sinn macht, sie einzusetzen. Persönlicher Effort ist wichtig, aber leider hat die vermeintliche Umweltschutzbewegung der letzten Jahre in privilegierten Ländern wie der Schweiz viele Greenwashing-Kampagnen und „grüne“ Marken hervorgebracht, die unter der Lupe überhaupt nicht nachhaltig sind und sich einer völligen Doppelmoral bedienen.

Wer jetzt interessiert ist, sollte sich den Film nicht entgehen lassen. Ihr findet ihn hier auf der Website von Frachtwerk. Viel Spass beim Anschauen!

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