Als die Uni plötzlich digital wurde

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Bericht
Lesedauer
4 Minuten
Veröffentlicht am
6. Oktober 2020

Mittlerweile sind wir Studis alle bestens vertraut mit dem Videokonferenz-Dienst Zoom und haben «zoomen» problemlos in unseren Wortschatz integriert. Doch das war nicht immer so. Warum ist die Uni im März gerade auf Zoom umgestiegen, welche Chancen und Probleme bringt die Digitalisierung und wie läuft das mit dem Datenschutz? Wir haben nachgefragt. 

Leonie Herde, Kulturwissenschaften

Als der Bundesrat im März bekannt gab, dass alle Schulen, Hochschulen und Universitäten bis auf weiteres geschlossen werden, blieben viele Fragen offen. Wie geht es jetzt weiter? Wie komme ich zu Bibliotheksbücher und wann sehe ich meine Kommilitonen*innen wieder? Die Uni Luzern hat schnell bekannt gegeben, auf Zoom umzusteigen.

«Zoom bot (und bietet) in unseren Augen das beste Gesamtpaket», sagt Dave Schläpfer von der Kommunikationsstelle der Universität Luzern. Das Unternehmen biete auch Videokonferenzen für eine grosse Anzahl von Teilnehmenden an, die Lizenzen seien für die Uni finanzierbar gewesen und hätten schnell beschafft werden können.

Zoom als Datenschutzkatastrophe

«Zoom gibt heimlich Daten an Facebook weiter», «Drohende Sammelklage gegen Zoom», «Ungefragter Zugriff auf Webcam von Zoom-Nutzer*innen». Solche oder ähnliche Schlagzeilen sorgten Anfang des Jahres für Aufmerksamkeit. Hat Zoom ein Datenschutzproblem?

Schläpfer räumt ein, dass sich die Sicherheitsprobleme von Zoom als Nachteil erwiesen haben. Diese seien jedoch schnell durch Updates behoben worden. «Ein wichtiges entsprechendes Update erfolgte bereits, bevor an der Universität Luzern mit dem Programm zu arbeiten begonnen wurde.» Tatsächlich hat Zoom Sicherheitslücken geschlossen. So kann beispielsweise der Organisator eines Meetings nicht mehr kontrollieren, welche Teilnehmende Zoom im Vordergrund nutzen. Auch die Uni Luzern hat gewisse Voreinstellungen bei Zoom deaktiviert. So etwa die Möglichkeit, Meeting-Inhalte in der Zoom-Cloud zu speichern. Ebenfalls ist ein Passwort für jedes Meeting Pflicht. Gibt es also keine Probleme mehr mit Zoom? 

Nicht alle sind Zoom-begeistert

Dr. Demian Berger, Oberassistent am Lehrstuhl für Kulturwissenschaften an der Uni Luzern, hat im letzten Semester weitgehend auf Zoom verzichtet und eine alternative Unterrichtsform für sein Seminar gewählt. Die Seminarteilnehmenden wurden in Gesprächsgruppen eingeteilt und führten Diskussionsprotokolle, die sie dann an Berger zurückschickten. Als Zoom eingeführt wurde, war er einerseits froh, dass die Uni so schnell eine Lösung für die Weiterführung des Unterrichts hatte. «Andererseits war ich aber auch etwas irritiert», sagt Berger. Er fragte sich warum genau Zoom, er hatte zuvor noch nie von diesem Programm gehört und vom ganzen Prozess überhaupt nichts mitbekommen. Auch empfand er diesen Druck möglichst schnell auf Zoom umzustellen, ohne das Programm zu hinterfragen, als störend. Im Nachhinein beurteilt er die Entscheidung der Uni jedoch als die richtige, denn Zoom sei aus technischer Sicht wirklich ein gutes Programm.

Auch über den Datenschutz hat Berger sich Gedanken gemacht: «Zoom ist ein privater Konzern und hat Zugriff auf gewisse Daten. Es muss genau abgeklärt werden, was mit diesen Daten passiert und wofür sie verwendet werden.» Ausserdem dringe das Programm in die Privatsphäre ein. Denn man agiere trotz allem noch immer im Privatraum und so wird die Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum aufgeweicht. Hinzu kämen dann Fragen wie: Dürfen Dozierende von den Teilnehmenden verlangen, die Kamera einzuschalten oder nicht? Das alles seien Punkte, die man ansprechen müsse und die nicht einfach selbstverständlich sein sollten. 

Und wie sieht es bei den Studis aus?

Die Studierenden hätten meist gute Erfahrungen gemacht mit Zoom, meint Vinzenz Schmutz von der Studierendenorganisation Luzern. «Wir haben eine Umfrage gemacht, bei der von rund 160 Antworten die meisten Teilnehmenden mit einer vier von fünf geantwortet haben, also eine durchaus positive Antwort.» Trotzdem wünschen sich die meisten wahrscheinlich den Präsenzunterricht zurück, denn auch wenn Zoom für diese spezielle Zeit eine gute Alternative war, kann es die persönlichen Begegnungen an der Uni nicht ersetzten. 

So lautet denn auch das Motto der Uni «so persönlich wie möglich, so digital wie nötig»: Der Unterricht im Herbstsemester soll in einem Format stattfinden, das sich «hybride Lehre» nennt, eine Mischform aus Lehre vor Ort und aus der Distanz via «Zoom», wie Schläpfer erklärt. Berger steht dem Konzept der «hybriden Lehre» noch etwas skeptisch gegenüber. «Es erweckt die Vorstellung, analog und digital seien gleichberechtigte Formate.» Dies sei seiner Meinung nach definitiv nicht so und er tendiere daher eher dazu, sich zu entscheiden zwischen Präsenzunterricht in vollem Umfang, natürlich unter Einhaltung der Schutzmassnahmen, oder einer Weiterführung des Unterrichts über Zoom, wie bisher. 

Wie sieht wohl die Uni der Zukunft aus? 

Braucht es überhaupt noch ein Unigebäude oder loggen sich einfach alle Beteiligten von zu Hause aus ein? «Das Wesen der Uni würde stark verändert werden, wenn sie komplett digital werden würde. Die sozialen Begegnungen wären nicht mehr Teil der Institution, es wäre eine andere Institution und ich weiss nicht, ob man diese dann noch als Universität bezeichnen könnte.», so Berger. Er hofft, dass der persönliche Geist der Uni, auf den gerade die Uni Luzern so viel Wert lege, bewahrt werden kann. Trotzdem sollen digitale Technologien genutzt werden. «Ich bin ja nicht technologiefeindlich», sagt Berger schmunzelnd. Dennoch hätten digitale Technologien keinen Selbstzweck und sollen gemäss Berger nicht reflexionslos übernommen werden. «Die Digitalisierung ist immer auch ein politisch-ökonomisches Thema und nicht nur ein rein technologisches.» Er appelliert deshalb auch für mehr staatliche Initiative, selbst in digitale Technologien zu investieren, um die langfristige Unabhängigkeit von privaten Konzernen – wie Zoom- zu gewährleisten.

Doch trotz einiger Bedenken hat dieser Schritt in Richtung Digitalisierung auch etwas Positives: Es gibt nun endlich die lang ersehnten (Vorlesungs-) Podcasts.

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