Die Bibliothek ist für eine Wiederöffnung so gut wie gerüstet, die Uni Luzern behält die dortigen Arbeitsplätze trotzdem bis auf Weiteres geschlossen. Der Druck von Aussen wächst: Mittlerweile gibt es Indizien, dass die Uni nächste Woche nachgibt. Und es gibt erste Hinweise, wie eine pandemiegerechte Öffnung der Bib aussehen könnte.
Linda Leuenberger, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften (Text)
Jonathan Biedermann, Philosophy, Politics & Economics (Bilder)
Wer zurzeit in das Luzerner Universitätsgebäude tritt, wird von der gespenstischen Stimmung beinahe erschlagen. Hochgeklappte Tische, nirgends Sitzgelegenheit, rotweisses Absperrband, welches man von Baustellen kennt und irgendwie an Tatorte erinnert – und vor allem: nirgends eine Menschenseele.
Am 8. Juni haben die meisten Hochschulen schweizweit ihren Studierenden nach der beinahe dreimonatigen Corona-Zwangspause den Zugang zu Arbeitsplätzen wieder gewährt. Unter Einhaltung von Schutzkonzepten, versteht sich. Studis der Hochschule Luzern beispielsweise können online Seminarräume buchen, die ihnen tagsüber zum Lernen zur Verfügung stehen. Die Universität Luzern fährt ihrerseits mit einer weit magereren Strategie (wir berichteten) und fährt sich damit vor allem einiges an Kritik ein. Der Tenor der Rückmeldungen, die bei Lumos eingegangen sind, ist klar:
– Unverständlich, vor allem, weil es Mittel und Wege gäbe, wenn die Uni denn auch will.
Antworten auf die Lumos-Umfrage via Instagram
– Erstaunt mich nicht. Die Unilu macht es immer studi-unfreundlicher als andere.
– Nervt schon. Vor allem wenn man neben einer Baustelle wohnt und Arbeiten schreiben sollte.
Angesprochen auf diese Aussagen erklärt Lukas Portmann, Kommunikationsbeauftragter der Universität Luzern, man sei sich von Seiten der Uni der Einschränkung bewusst, die für die Studierenden entsteht. Und man verstehe die Enttäuschung. «Die Situation hat aber viele Aspekte, die man gegeneinander abwägen muss. Wir haben es uns nicht einfach gemacht.» Um finanzielle Aspekte drehe es sich indes gar nicht, einzig der Schutzgedanke stehe im Vordergrund. Und die Chancen-gleichheit, wie Portmann gegenüber Lumos bereits erklärt hat .
Portmann betont, der Entscheid sei unter Absprache mit der Studierendenorganisation Luzern (SOL) gefällt worden und werde von dieser unterstützt. Für Lumos Grund genug, dort einmal nachzufragen. Mirco Bazzani, Kommunikations-beauftragter der SOL, sagt auf Anfrage: «Wir sind davon ausgegangen, dass mit den Lockerungen des Bundes ein Plan zur weiteren schrittweisen Öffnung der Bibliothek vorliegt. Es liegt aber keiner vor.» Die Öffnung des Freihandbereichs sei die «Minimum-Forderung» gewesen. Denn auch diesen wollte die Uni gemäss Bazzani zunächst geschlossen lassen und ausschliesslich auf den Kurierdienst setzen. Sie sei dann aber ohne Vorwände auf diese eine Forderung der SOL eingegangen.
Der Druck von Aussen wächst
Ob ein Plan für die weitere Öffnung der Uni und Bibliothek denn in Arbeit wäre, wollten wir von Lukas Portmann wissen. Er sagt, was auch im Schutzkonzept der Uni steht: Die Situation werde durch die Corona-Taskforce laufend neu beurteilt. Komme man zum Schluss, die Massnahmen seien zu eng, werden diese überarbeitet. Am Donnerstag in einer Woche tagt die erweiterte Universitätsleitung, so Portmann. Dort werde ein nächster Entscheid gefällt.
Lumos weiss aus sicheren Quellen, dass die Öffnung der Lesesäle am kommenden Donnerstag Thema sein wird. Der Druck von Aussen wächst: Unterdessen ist die SOL mit der Universitätsleitung in Kontakt getreten. Die SOL räumt zwar ein, dass sie aufgrund der ungewissen Bundesentscheide zu lange gewartet habe, sich proaktiv für die Öffnung der Lesesäle einzusetzen. Sie hat sich aber vergangene Woche via Mail an die Studis gewandt, damit diese ihren Unmut kundtun können. Diese Meldungen wurden nun in einem Brief an die Uni Luzern zusammengefasst. SOL-Kommunikationsverantwortlicher Mirco Bazzani sagt, schon nach einem Tag seien zahlreiche Mails eingegangen. Und es werden immer mehr. Die Studis sind spürbar aufgebracht.
Auch schweizweit ist etwas im Gange: Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) hat einen Brief an swissuniversities – den Dachverband der schweizerischen Hochschulen – geschrieben. Sie fordern swissuniversities dazu auf, sich für die Öffnung sämtlicher Bibliotheken aller Hochschulen einzusetzen. Im Brief steht unter anderem: «Besonders jetzt, wo die Periode der Leistungsnachweise naht, ist es essentiell, dass die Chancengleichheit nicht gefährdet wird.» Francesco Bee, Co-Präsident des VSS, führt auf Anfrage an: Nebst der Öffnung aller Lesesäle setze sich der VSS dafür ein, dass Studierende, die an einer Schweizer Hochschule immatrikuliert sind, auch an einer anderen Hochschule die Bibliothek oder Lesesäle betreten dürfen. Wie Lukas Portmann von der Universität Luzern sagt, sei man mit swissuniversities in Kontakt.
Die Bibliothek ist gegen die Pandemie gerüstet
Es gebe eine Vielzahl Ideen für Schutzkonzepte, wie die Arbeitsplätze pandemiegerecht eingerichtet werden könnten, sagt Mirco Bazzani. Eine Weile sei zwar noch nicht klar gewesen, ob der Bundesrat die Lockerungen wieder rückgängig macht und wie hoch die Gefahr einer zweiten Welle ist. Momentan deute aber nichts auf eine zweite Welle und einen zweiten Lockdown hin. In der SOL findet man:
Es gibt absolut keine Rechtfertigung mehr, dass die Arbeitsplätze weiterhin nicht zur Verfügung stehen.
Studierendenorganisation Universität Luzern
Das sieht Lukas Portmann anders. Die Uni nehme ihre Verantwortung nicht auf die leichte Schulter, beteuert er. Momentan müsse man mit sehr viel Unsicherheit umgehen und die Universität wolle nicht leichtfertig handeln. Dazu komme, dass an der Uni bald Unterhaltsarbeiten beginnen. Dann seien sowieso nicht sämtliche Räume verfügbar.
Dass nun doch etwas ins Rollen kommen könnte, zeigt ein Gespräch mit Wolfram Lutterer, Standortleiter der ZHB im Uni- und PH-Gebäude. In der Bibliothek bereite man sich seit Montag auf eine pandemiegerechte Öffnung vor, sagt er auf Anfrage. Die «pandemiegerechte Öffnung» sieht folgendermassen aus: Eine reduzierte Zahl Arbeitsplätze, eine Eingangskontrolle, eine Maximalzahl an Bibliotheksbesucher*innen. Ob die Gruppenarbeitsräume zur Verfügung stehen werden, ist gemäss Lutterer noch offen, aber unwahrscheinlich. Von den Kopierern wird pro Kopierraum nur einer in Betrieb sein. Eine Maskenpflicht ist bisher nicht vorgesehen, wird aber eventuell zum Thema, sobald man enger bestuhlen möchte, sagt Lutterer. Eine maximale Verweildauer wird es voraussichtlich keine geben, sowie auch auf ein Ticketsystem verzichtet wird. Das Ziel sei indes, möglichst alle ZHB-Standorte zeitgleich unter coronakonformen Bedingungen öffnen zu können.
Die Bibliothek ist also gerüstet – jetzt gilt es noch das Go der Uni abzuwarten. «Es geht in der ersten Phase darum, Erfahrungen zu sammeln, zu sehen, was passiert», sagt Lutterer. Sobald das Bedürfnis nach weiteren Arbeitsplätzen erwächst, setze sich die ZHB nochmals mit der Uni zusammen, um weitere Optionen zu prüfen. Eine davon wäre, Seminarräume zur Verfügung zu stellen.
Semestergebühren bleiben, wo sie sind
Seit nunmehr drei Monaten sind aber gar keine Räume der Uni verfügbar. Und die Semestergebühren bereits eingesackt. Was passiert mit diesen Beträgen, mit denen Studierende unter anderem für die Nutzung der universitären Infrastruktur bezahlen? Nichts. Es seien keine Rückzahlungen oder ähnliches vorgesehen, sagt Portmann: «Die Gebühren fallen generell an und decken auch nur einen Teil der Aufwände.» Er gibt zu bedenken, dass die Uni im Zuge der Pandemie nicht weniger, sondern mehr Ausgaben gehabt habe. Der Wechsel ins Digitale sowie die Umsetzung der Schutzmassnahmen und der Buchversand zu günstigeren Konditionen seien Beispiele dafür.