Pro Jahr führt die Psychologische Beratungsstelle Campus Luzern mit 300 Personen Beratungsgespräche durch. Jonas Bamert, Psychotherapeut und Leiter der Beratungsstelle, erzählt im Gespräch mit Lumos, was den Luzerner Studierenden Sorgen macht.
Sophie Küsterling, Politikwissenschaften
Der Lockdown schlägt auf die Psyche. Psychiater*innen, Psychotherapeut*innen und Gesundheitsexpert*innen, ja sogar eine Altbundesrätin melden sich in den Medien zu den Begleiterscheinungen des Corona-Virus zu Wort. Sie sprechen von Einsamkeit, Ängsten, Kontrollverlust und Stress. Bei Hilfsangeboten wie dem Schweizer Sorgentelefon «Die Dargebotene Hand» laufen seit Wochen die Drähte heiss. Auch die Uni Luzern macht in ihren Newslettern regelmässig auf das psychologische Unterstützungsangebot für Studis und Hochschulpersonal aufmerksam.
Die Psychologische Beratungsstelle Campus Luzern bietet bis zu fünf kostenlose (Online-) Beratungsgespräche an. Die Anmeldung erfolgt via Kontaktformular oder per Mail an info@pblu.ch. Die Beratenden unterstehen der Schweigepflicht.
In akuten psychischen Notfallsituationen (z.B. bei Suizidgedanken) steht dir – oder Freunden und Familie – die Notfallnummer 058 856 53 00 zur Verfügung.
Diese Unterstützung bietet die Psychologische Beratungsstelle Campus Luzern. Ein unabhängiges Organ, welches den Studierenden sowie dem Personal der drei Luzerner Hochschulen – der Universität, der Hochschule und der Pädagogischen Hochschule – kostenlose psychologische Beratung anbietet. Das Angebot werde zwar gut genutzt, einen grossen Ansturm habe es Anfang der Krise aber nicht gegeben, sagt Jonas Bamert, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle. «Zu Beginn waren die Studierenden damit beschäftigt, ihr Leben neu zu organisieren. Der Lockdown wirkte anfänglich entschleunigend und war deshalb für viele auch eine kurzfristige Erleichterung.»
Das ändere sich nun: Viele Studierende nehmen die Psychologische Beratungsstelle in Anspruch, weil die Pandemie bei ihnen Zukunftsängste und Angst vor Arbeitslosigkeit auslöst, ihnen der erlebte Kontrollverlust Mühe bereitet, sie Trauer verarbeiten müssen, weil bei Paaren durch das ständige Beisammensein Beziehungskonflikte entstanden oder durch die Rückkehr ins Elternhaus alte Familienkonflikte wieder aufgeflammt sind. «Auch für Austauschstudierende, die in einem fremden Land ohne Familie oder soziales Netzwerk gestrandet sind, ist die Situation nicht einfach», so Bamert.
Psychotherapie ist genauso normal wie Fitness
Aber nicht nur während der Corona-Krise bietet die Psychologische Beratungsstelle Studierenden und Hochschulpersonal Unterstützung an. Pro Jahr führen die Psychotherapeut*innen Jonas Bamert und Sibylle Matter mit rund 300 Personen (zwei Drittel davon sind Studierende) etwa 600 Gespräche. «Die Themen reichen dabei von Problemen im Studium über Depressionen bis hin zu privaten Problemen. Mit uns kann man über alles sprechen», sagt Bamert.
Neben der Anlaufstelle zur Stressbewältigung oder Präventivarbeit sieht sich die Psychologische Beratungsstelle auch als Sprungbrett für Personen, die eine weitere Betreuung benötigen. «Als ausgebildete Psychotherapeuten sind wir dazu qualifiziert, festzustellen, ob jemand weitere psychologische Hilfe benötigt. Dann können wir Informationen zur Therapieplatzsuche und administrativen Belangen wie der Kostenübernahme liefern», erklärt Bamert. Eine umfassende Therapie kann die Beratungsstelle aus Ressourcengründen nicht anbieten. Denn den Studierenden und dem Hochschulpersonal stehen maximal fünf kostenlose Beratungsgespräche zur Verfügung. Ein Zeitrahmen, in dem sich keine umfassende Psychotherapie durchführen lässt.
Viele Studierende seien nervös, wenn sie zum ersten Gespräch kämen, sagt Bamert und ergänzt: «Viele denken, dass es eine Schwäche ist, wenn man sich psychologische Hilfe holt. Aber es ist vielmehr eine Stärke. Niemand findet es seltsam, drei Mal in der Woche für die physische Gesundheit ins Fitness zu gehen. Etwas für die psychische Gesundheit zu tun, sollte genauso selbstverständlich sein.»
Du bist nicht allein
Doch woher kommt diese Angst, als schwach zu gelten, wenn man psychisch überfordert ist? Schuld daran seien oft gesellschaftliche Erwartungshaltungen. Damit ist nicht nur Leistungsdruck im Studium gemeint, sondern auch der Druck, familiären oder gesellschaftlichen Ansprüchen genügen zu müssen – und zu guter Letzt auch der finanzielle Druck. Laut Bamert denken sich viele Studierende, dass sie doch eigentlich intelligent seien und die Erwartungen deshalb locker erfüllen können müssten.
Dabei sind die Luzerner Studis nicht alleine mit ihren Sorgen und Problemen. Eine Studie des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2018 fand, dass 22 Prozent der Schweizer Studierenden angaben, an psychischen Problemen zu leiden, 43 Prozent mittlere bis sehr grosse finanzielle Schwierigkeiten haben und viele der erwerbstätigen Studierenden – die rund drei Viertel aller Studierenden ausmachen – unter der Doppelbelastung von Studium und Arbeit leiden.
Was hilft, ist Offenheit. Viele Studierende werden erst auf die Psychologische Beratungsstelle aufmerksam, weil ein Freund oder eine Freundin von positiven Erfahrungen erzählt hat. So erklärt Bamert: «Bei einem Gespräch mit einem Psychotherapeuten kann man ganz sich selbst sein. Wir hören zu, erwarten dafür keine Gegenleistung und werten nicht. Das ist für viele eine neue und positive Erfahrung.»