«Wir wollen vermehrt auch Dozierende mit einbinden»

Verschiedene Facetten der Nachhaltigkeit: die Nachhaltigkeitswoche am Brockitrip. (Bild: ZVG)

In solch turbulenten Zeiten geht einiges unter – so scheint es auch der diesjährigen Nachhaltigkeitswoche in Luzern ergangen zu sein. Was passiert während der Nachhaltigkeitswoche, wer organisiert sie und wie geht die Gruppe mit der aktuellen Situation um?
Michelle Kobler, Verantwortliche für die Koordination der Nachhaltigkeitswoche Luzern 2020 und Präsidentin des Vereins Nachhaltigkeit Luzern (Venalu), im Gespräch.

Léonie Hagen, Philosophy, Politics and Economics (PPE)

Was ist die Nachhaltigkeitswoche genau?

Die Nachhaltigkeitswoche ist ein Projekt, das an fast allen Hochschulen und Universitäten der Schweiz durchgeführt und vom Dachverband (Schweizer Verband studentischer Organisation für Nachhaltigkeit, VSN) koordiniert und unterstützt wird. In Luzern fand sie nun zum dritten Mal statt.

Während dieser einen Woche finden verschiedene Veranstaltungen statt, mit dem Ziel, den Menschen die Nachhaltigkeit in ihrer sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension näher zu bringen und die Komplexität von Nachhaltigkeit zu erläutern. Die Nachhaltigkeitswoche bildet ein Gefäss für Diskussionen und einen konstruktiven Austausch untereinander. Wir wollen vor allem eine breite Sensibilisierung erreichen und komplexe Themen herunterbrechen, um sie einem grösseren Publikum zugänglich zu machen. Die Events richten sich zwar primär an die Studierenden und Mitarbeitenden der beteiligten Hochschulen, stehen aber allen interessierten Menschen offen.

2019 haben wir ausserdem den Verein Nachhaltigkeit Luzern (Venalu) gegründet, um die Nachhaltigkeit an den Hochschulen auch ausserhalb der zeitlich begrenzten Nachhaltigkeitswoche zu thematisieren und zu fördern.

Wie bist du dazu gekommen, dich im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche zu engagieren?

Ich kannte das Konzept der Nachhaltigkeitswoche von den Events, die ich in Zürich vor meinem Studiumsbeginn besucht hatte. Als ich dann in Luzern mein Studium anfing, habe ich in einem Newsletter gesehen, dass sie noch Mitglieder suchten, und mich gemeldet. Man sieht also: Newsletterwerbung bringt tatsächlich etwas! (lacht). Durch meine persönlichen Interessen und mein Praktikum bei Forma Futura Invest AG, einer Vermögensverwaltung welche nur in nachhaltige Unternehmen investiert, interessierte mich die Förderung von Nachhaltigkeit sehr.

Gibt es einen Aspekt, der dich an der Nachhaltigkeitswoche besonders anspricht?

Durch den hochschulübergreifenden Aspekt (HSLU, PH und Uni) wird das Projekt extrem vielfältig, sowohl im Publikum als auch von den Events her. Das führt zu einem interessanten Austausch, weil die Leute von ganz verschiedenen Hintergründen kommen und unterschiedlichste Weltbilder mitbringen. Das ist auch wichtig, da das Thema Nachhaltigkeit sehr vielseitig ist und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden muss.  Diese Vielfalt an Menschen, Wissen und Interessen finde ich spannend.

Diese Vielfalt sucht ihr also bewusst. Wie fördert ihr sie?

Indem wir Events an allen Standorten des Campus anbieten, die auch zum jeweiligen Standort passen, also auch die Leute vor Ort ansprechen. So haben wir zum Beispiel einen Photovoltaik-Workshop an der HSLU T&A in Horw organisiert. Weil die Hochschulen so verknüpft sind, haben wir ein buntes Publikum.

Das trotzdem in einem akademischen Rahmen bleibt.

Nein, nicht ausschliesslich. Es gibt sicher Events, wie z.B. eine Podiumsdiskussion, die vielleicht eher ein akademisches Umfeld ansprechen. Aber wir haben auch z.B. den Kleidertausch oder den veganen Kochkurs in diesem Jahr organisiert, die nicht so stark im akademischen Rahmen zu verorten sind. Denn es soll sich jeder und jede Besucher:in an den Veranstaltungen willkommen fühlen.

Wir versuchen hauptsächlich, Studierende «anzulocken». Aber es ist uns beispielsweise auch ein besonderes Anliegen, die Mitarbeitenden und Dozierenden mehr einzubinden.

Vegane Küche – ein Weg zur Nachhaltigkeit im Alltag? (Bild: ZVG)

Das heisst?

Das heisst, dass zum Beispiel unsere eigenen Dozenten auch einen Event organisieren, oder dass mehr Mitarbeitende und Dozierende an unseren Veranstaltungen teilnehmen.

Das ist bisher also noch nicht geschehen.

Nicht explizit, nein. Was schade ist, weil unsere Fragen über sie wieder den Weg in die Lehre einschlagen und die verschiedenen Themen und Fachbereiche miteinander verbunden werden könnten.

Was meinst du mit dem Weg in die Lehre?

Es könnten etwa vermehrt verschiedene ökonomische Modelle gelehrt oder auch Umweltrecht stärker ins Jusstudium aufgenommen werden. Im Architekturstudium könnten Ressourceneffizienz oder Photovoltaik ebenfalls noch intensiver und als integrativer Bestandteil weiter gefördert werden. Es geht uns darum, dass in jedem einzelnen Fachbereich der Grundsatz der Nachhaltigkeit in das Studium integriert und ein essenzieller Bestandteil deines Studiums wird.

Warum hat es denn bis jetzt mit dem Einbezug der Dozierenden nicht geklappt?

Wenn wir mit der Planung der jeweils nächsten Nachhaltigkeitswoche beginnen, gibt es zuerst einmal ein riesengrosses Brainstorming – und da ist es bis jetzt einfach noch nicht vorgekommen, dass jemand ein Thema gehabt hätte, zu welchem uns direkt ein Dozent/eine Dozentin eingefallen wäre, oder dass jemand etwas spezifisch mit einem Dozenten hätte organisieren wollen. Vielleicht auch, weil wir nicht unbedingt die Universität als erste Inspirationsquelle nehmen?

Es muss aber nicht immer so sein: Am Photovoltaik-Workshop dieses Jahres hatten wir einen Dozierenden dabei. Aber es wäre schön, wenn wir noch mehr an Bord holen könnten. Das liegt natürlich an uns und wird in die Planung der nächsten Nachhaltigkeitswoche einfliessen. Solche studienbezogene Events ermöglichen schliesslich auch den angehenden Fachleuten in unserem Publikum die Integration von Nachhaltigkeit in ihrem Gebiet.

Du sprichst den Einfluss auf die Lehre an. Was bewirkt die Nachhaltigkeitswoche konkret an den Hochschulen?

Im Zentrum unserer Woche steht natürlich immer die Sensibilisierung des Themas, und bei vielen unserer Events können die Besucher:innen auch ein handfestes „Tool“ mit nach Hause nehmen. Wir bewegen uns also zwischen einer sehr abstrakten Ebene und der konkreten Alltagssituation. Wir wissen natürlich nicht, wie sehr die Leute das dann im Alltag umsetzen, hoffen aber darauf.

Der Einfluss auf die Hochschulpolitik liegt eher bei der Dachorganisation (VSN). Diese setzt sich stark für die Förderung der Nachhaltigkeit an den Schweizer Hochschulen ein, zum Beispiel mit einem «Demand Paper».  Die Forderungen darin beziehen sich etwa auf den Unterricht, z.B. auf vermittelte Inhalte, oder auch auf den Mensabetrieb und so weiter. Das zeigt Wirkung: Die Hochschule Luzern hat jetzt beispielsweise eine Nachhaltigkeits-Strategie publiziert und auch eigens eine Stelle besetzt. Eine solche Initiative zeigt uns, dass wir tatsächlich etwas verändern können. Und wir würden uns sehr freuen, wenn auch an der Uni und der PH bald eine solche Stelle entsteht.

Nachhaltigkeit wird zumindest in den Räumen der Universität diskutiert: eine Podiumsdiskussion im Rahmen der letztjährigen Nachhaltigkeitswoche.

Du hast vorhin ein breites Publikum angesprochen. Erreicht ihr denn auch Leute, die sich nicht unbedingt mit Nachhaltigkeit beschäftigen?

(lacht) Dort wird es etwas schwierig. Unsere Werbung sehen vor allem Leute, die sich schon für Nachhaltigkeit interessieren. Dort denke ich wirklich, dass es über die Dozierenden laufen muss, damit wir alle Studierenden erreichen – auch die, die noch nicht Teil dieser Bewegung sind.

Wie sieht es mit der allgemeinen Sichtbarkeit aus – ist das für euch keine Schwierigkeit?

Ich muss sagen, das war dieses Jahr sehr schwierig, mit – Achtung, Überleitung (lacht) – zur aktuellen Situation mit dem Coronavirus! Das lässt bezüglich der Sichtbarkeit von diesem Jahr nur schlechte Rückschlüsse zu. Wir hatten deutlich weniger Besucher:innen als letztes Jahr. Ich denke aber, wir waren mit der Präsenz in der Öffentlichkeit grundsätzlich ganz gut unterwegs.

Wie lief die diesjährige Nachhaltigkeitswoche unter diesen Umständen?

Also ja (lacht). Eigentlich waren wir guter Dinge, aber die Situation war schon etwas seltsam. Wir haben mit der Woche angefangen und waren uns zu Beginn nicht sicher, ob wir alle Anlässe durchführen werden können. Wir haben für alle Anlässe beim Kanton eine Bewilligung beantragt, und durften sie unter den Vorgaben (Liste der Teilnehmenden, Unterschriften, dass sie ohne Symptome und nicht in Risikogebieten gewesen waren) stattfinden lassen. Das Bewusstsein für die zusätzlichen Auflagen war auch bei den Besuchenden gegeben. Das sollte natürlich selbstverständlich sein – es war aber trotzdem schön, zu sehen, dass auch ihnen klar war, wie einschneidend die Situation für alle war.

Du hast vorhin davon gesprochen, dass ihr schon bald mit der Planung der Nachhaltigkeitswoche 2021 beginnt. Wie geht es jetzt weiter?

Wir hatten kürzlich das Debriefing im Kernteam per Videochat (lacht), das grosse Debriefing wird aber irgendwann bei einem Abendessen stattfinden. Wann genau das sein wird, können wir momentan noch nicht sagen (lacht). Aus dem ersten Debriefing haben wir klare Massnahmen und Verbesserungsvorschläge festgehalten, mit deren Umsetzung wir demnächst beginnen werden. Die nächste Nachhaltigkeitswoche wird wahrscheinlich im März 2021 stattfinden. Ein riesiges Dankeschön an die Hochschulen, die ehrenamtlich beteiligten Studierenden und die spannenden Gäste der Veranstaltungen sowie die tollen Besucher:innen der diesjährigen Woche!

Mehr Informationen zur Nachhaltigkeitswoche gibt es im Portrait des Vereins Nachhaltigkeit Luzern, auf Facebook und Instagram und unter www.sustainabilityweek.ch/lucerne .

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