Bei der Frage über die Verwendung von Laptops während Vorlesungen scheiden sich die Geister. Zwei Studierende kreuzen die Klingen.
Pro: Noa Widmer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
«Make lectures great again!» lautet die Devise im bildschirmfreien Unterricht. Klar ist es praktisch, wenn man ein Fremdwort, das schon zum zehnten Mal erwähnt wurde (und dringend nachgeschlagen werden muss, da man sonst den Faden endgültig verliert), schnell googeln kann, oder man sich noch kurz vor der Pilatesstunde online beim Unisport an- oder abmelden möchte.
Jedoch ist die Ablenkung durch die elektronischen Geräte grösser, als man denken mag: Kaum vom Sport abgemeldet, noch schnell die Mails checken – und siehe da, Zalando teilt mit, dass der ohnehin schon günstige Sale nochmals reduziert wurde. Da bleibt fast keine andere Wahl, als schnell nachzuforschen und die super hippen (und sicher ultra bequemen) Sneakers für 39.95 statt 109.95 (!) in den Warenkorb zu legen. Wohl oder übel liegt es in den eigenen Händen, ob man sich von Newslettern und Online-Shopping-Möglichkeiten ablenken lässt oder nicht. Sitzt man aber inmitten des Vorlesungssaals, so schaut man unweigerlich, was die Mitstudierenden der vorderen und der eigenen Reihe so Lustiges im World Wide Web treiben. Eine 45-minütige Lektion mag sich auf diese Weise zwar wie fünf Minuten anfühlen, dafür hat sich der Betrag des Bankkontos um einige Ziffern verkleinert und mitgenommen vom Unterricht hat man auch nicht viel – wenn überhaupt.
Die einzige Lösung hierfür scheint: No-screen lectures. Ausgedeutscht: Der Verzicht auf jegliche elektronischen Geräte während des Unterrichts. Klingt altmodisch, aber eigentlich meinen es die entsprechenden Profs ja gut mit uns. Sind nämlich keine Bildschirme vorhanden, liegt der Fokus nicht auf Online-Shopping oder auf dem Formatieren irgendwelcher Tabellen in einem Word-Dokument, sondern auf dem Verfassen nachvollziehbarer Notizen. Da man mit Handschrift schlicht zu langsam ist, um jedes gesagte Wort eins zu eins aufs Blatt zu bringen, bleibt einem nichts anderes übrig, als zuzuhören, das Gesagte zu filtern und nur das Wichtigste zu notieren – vorausgesetzt, man will vom Unterricht profitieren. An dieser Stelle ein kleiner Tipp: Für häufig auftretende Wörter Abkürzungen verwenden!
Kommt nun dieses eine unbekannte Wort in jedem dritten Satz vor, und haben leider auch alle rundherum keine Ahnung von Tuten und Blasen, empfiehlt es sich, direkt die Dozierenden zu fragen. So zaubert man nicht nur ein Lächeln in deren Gesichter (denn viele Dozierende versuchen, Vorlesungen interaktiv zu gestalten), sondern tut sich selbst und den anderen Zuhörenden einen lehrreichen Gefallen.
Contra: Simon Roth, Weltgesellschaft und Weltpolitik
Leserliche Notizen erstellen, Begriffe und Definitionen nachschauen oder einen Live-Ticker lesen – Laptops sind eine nützliche Bereicherung für jede Vorlesung. Sie bringen einen Mehrwert, auch wenn sie nicht gerade zum Lernen von Uni-Stoff benutzt werden. Vor allem zum Aufnehmen von neuem Wissen sind sie eine grosse Hilfe.
Beispiel gefällig? Schon mal probiert, die eigenen handschriftlichen Notizen zu entziffern? Sogar Hieroglyphen sind einfacher zu dechiffrieren als das Gekritzel, das man in der Eile macht, bevor die Powerpoint-Präsentation zur nächsten Folie springt! Ein grosser Dank gebührt an dieser Stelle allen Dozierenden, die ihre Folien vor der Sitzung online stellen. So kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren und hängt nicht mit den Augen an den Folien, um auch noch den untersten und letzten Punkt abschreiben zu können. Überhaupt: Wer die Folien auf dem Laptop speichert, druckt sie nicht aus und spart Papier. Die Umwelt dankt.
Nun gut, Studien haben ergeben, dass handschriftliche Notizen das Gehirn stärker beanspruchen als solche, die mit einem Laptop gemacht wurden. Informationen werden also bereits während des Schreibprozesses verarbeitet. Bloss, viele Vorlesungen dienen dem reinen Auswendiglernen von Wissen. Das Anwenden findet meist erst in Seminaren statt, wo diskutiert und argumentiert wird. Wenn eine laptopfreie Zone – dann dort.
Noch nicht überzeugt? Hin und wieder soll es ja vorkommen, dass Dozierende Begriffe und Konzepte verwenden, die definitiv nicht im vorzubereitenden Text erklärt wurden. Arm heben und eine Frage stellen? In einem Raum voller Studierenden ist das für viele keine Option. Man könnte sich ja blamieren. Eine kurze Suche im Internet bringt da schnell Abhilfe und meist auch Aufklärung. So kann man dem Rest der Vorlesung folgen, ohne das Gefühl zu haben, in einem Seminar für Quantenphysik zu sitzen.
Klar – Laptops, Tablets und Handys bergen Ablenkungspotenzial. Aber vielleicht wird unsere Aufmerksamkeit gerade von einem anderen Lebensbereich beansprucht. Die Vereinssitzung, ein Treffen mit Freunden, das nächste Date – ja, manche Dinge müssen organisiert werden. Und auch die Bundesratswahl oder der Match des Lieblingssportteams sind im Nachhinein mit bekanntem Resultat nur halb so spannend.
Wir leben im Zeitalter der vierten industriellen Revolution. Die Technik durchdringt unseren Alltag. Die Digitalisierung schafft effizientere Arbeitsabläufe und erleichtert unser Leben. Nutzen wir die Möglichkeiten, die sich damit eröffnen. Selbst wenn dies bedeutet, dass wir mit dem Kopf nicht immer ganz bei der Sache sind.