Never gonna give you up

Illustration: Valerie Bickel

Warum wir auch dreissig Jahre später immer noch in den 80ern festhängen.

Louis Fedier, Judaistik

Die soeben zu Ende gegangene Dekade der 2010er Jahre wurde nebst anderem auch durch einen bemerkenswerten 80ies-Hype geprägt. Besonders heftig traf es die Populärkultur, namentlich das Film- und Serienuniversum. Werfen wir zu Beginn des neuen Jahrzehnts deshalb einen Blick zurück und schauen uns einige Auswüchse dieser Nostalgiewelle und deren Gründe nochmals etwas genauer an.

Immer und immer wieder

Regelmässigen Kinogängern dürfte aufgefallen sein, dass das Kinoprogramm der 2010er viele Sequels oder Remakes alter Klassiker aus den Achtzigern zu bieten hatte. Die originale Star-Wars-Trilogie wurde um eine Sequel-Trilogie und mehrere Einzelfilme erweitert; die Steven-King-Stories The Shining und IT weiter- beziehungsgweise wiedererzählt; die Terminator-Franchise um zwei Einträge ergänzt; das Kult-Musical Cats neu verfilmt; die Kultfilme RoboCop, Predator und Ghostbusters wenig erfolgreich rebootet. Die Liste liesse sich beinahe endlos erweitern. Mit Ready Player One schuf Steven Spielberg 2018 sogar einen Spielfilm, der nahezu ausschliesslich auf 80er-Nostalgie basierte.

Ein ebenfalls stark durch die Achtziger geprägter Teil der Popkultur unserer Tage ist die Serienlandschaft. Mit Stranger Things und GLOW sind gleich zwei der aufwendigsten und beliebtesten Serien des Jahrzehnts in den Achtzigern angesiedelt, deren Darstellung allerdings stark divergiert, was der Beliebtheit aber keinen Abbruch tut. Weitaus weniger erfolgreich waren da die Neuauflagen beliebter TV-Serien aus den Achtzigern, wie beispielsweise Dallas und MacGyver, sowie der Spielfilm zu Das A-Team.

Die generelle Beliebtheit der 80er lässt sich in Deutschland sogar statistisch belegen. Bei einer YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2015 gaben 23 Prozent der 2000 Befragten an, am liebsten in den 80ern leben zu wollen, was die 1980er Jahre zum beliebtesten Jahrzehnt der Deutschen macht.

Warum kriegen wir einfach nicht genug?

Die Gründe für die 80er-Manie sind vielfältig. Da wäre zum einen der Fakt, dass viele der Menschen, die heute unsere Popkultur gestalten, in den 1980ern ihre prägenden Kinder- und Jugendjahre erlebten. Und da die meisten Menschen tendenziell ein positiv verklärtes Bild ihrer Kindheit haben, drückt dies auch bei den von ihnen verantworteten Projekten durch und färbt auf die nachfolgende Generation ab. Gleichzeitig sind einige der Leute, die die 80er kulturell prägten, auch heute noch aktiv und können somit quasi auf ihren eigenen Werken aufbauen, am berühmtesten wohl der bereits erwähnte Steven Spielberg, der sich in Ready Player One nahezu ohne Unterbruch selbst zitiert.

Ein weiterer Grund für die Wiederkehr der Achtziger ist das Blockbusterkino. Steven Spielberg und Konsorten veröffentlichten damals Klassiker am laufenden Band: E.T., Indiana Jones, Zurück in die Zukunft, Star Wars. Allesamt Filme, die heute mit zu den erfolg- und einflussreichsten aller Zeiten gehören. In Zeiten von Kinosterben und der zunehmenden Konkurrenz durch Streamingdienste sehnen sich viele Studios nach diesen glorreichen Tagen zurück und versuchen mit Reboots und Fortsetzungen nochmals richtig Kasse zu machen.

Nicht zuletzt werden die 80er heute aus westlicher Perspektive trotz des Kalten Krieges als eine verhältnismässig stabile Epoche wahrgenommen. Dies liegt vor allem daran, dass der globale Gegenspieler UdSSR ganz klar umrissen war, in aller Offenheit gegen die westliche Welt agierte und am Ende des Jahrzehnts unterging, was die Menschen damals freilich noch nicht wissen konnten. Heute dagegen sind die Bedrohungen um einiges vielfältiger geworden und für den normalen Durchschnittsbürger schon lange nicht mehr zu überblicken, was eine weit verbreitete Unsicherheit zur Folge hat.

Apropos nicht überblickbar: angesichts des Gefühls eines sich unaufhörlich beschleunigenden und komplizierenden Lebens durch die zunehmende Technologisierung wünschen sich auch viele Menschen «langsamere» Zeiten zurück. Ohne das Internet und omnipräsente Handys, dafür mit VHS-Kassetten und den guten alten Schallplatten, die in den letzten Jahren nicht zuletzt dank der Hipster-Kultur ein bemerkenswertes Revival erlebten.

Hasta la vista, 80ies?

Der Historiker Prof. Dr. Axel Schildt erklärte die Beliebtheit der Achtziger mit den Worten: «Es ist generell ein Phänomen, zumindest für die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg, dass einzelne Dekaden mit 30 Jahren Verspätung sehr positiv wahrgenommen werden.» Diese 30 Jahre seien nicht nur die Zeitspanne einer Generation, sondern auch der Rhythmus, nach welchem sich die Zeitgeschichte orientiere. Ein sehr schönes Beispiel, das für diese Theorie spricht, ist die Zurück-in-die-Zukunft-Trilogie. Der Protagonist Marty McFly reist darin exakt 30 Jahre zurück ins Jahr 1955, beziehungsweise um dreissig Jahre in die Zukunft, ins Jahr 2015, wo das ihm bekannte Lou’s Aerobic Fitness Center inzwischen zum Cafe 80’s umgebaut wurde, in welchem ein Roboter-Reagan die Bestellungen aufnimmt. Der 80er-Hype der 2010er Jahre wurde also schon damals exakt vorhergesagt.

Wenn die Theorie der 30-Jahr-Zyklen tatsächlich stimmt, wären in den soeben begonnenen 20er Jahren die 90er als nächste Referenzzeit an der Reihe. Hierfür gibt es auch durchaus Anzeichen, so etwa der sich im Zenit befindende FRIENDS-Hype oder die immer zahlreicher werdenden Live-Action-Remakes erfolgreicher Disney-Zeichentrickfilme (König der Löwen, Aladdin, Mulan) aus jener Dekade.

Ob wir bald in einem 90ies-Fieber stecken, werden die kommenden Jahre zeigen. Die Popkultur ist letztlich auch nur wie eine Schachtel Pralinen – man weiss nie genau, was man kriegt.

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