Medien im Wandel – warum früher doch nicht alles besser war

Klicks, Klicks, Klicks – die einzige Währung im Netz? Onlineportale reden ihrer Leserschaft nach dem Mund? Schon früher war die Presse nicht unabhängig.

Jason Young, Weltgesellschaft und Weltpolitik

In den Anfangszeiten war das Internet noch ein Ort futuristischer Verheissungen – heute hat es seine Unschuld verloren und Internetnutzer werden digital verfolgt, manipuliert und ausspioniert. Immer mehr Menschen wünschen sich die Zeit zurück, in der man noch im Café sass, um eine anständige Diskussionskultur zu pflegen und Ideen auszutauschen, anstatt in virtuellen Filterblasen und Echokammern Fake News zu lesen. Eine Zeit, bevor internationale Grosskonzerne mit ihren Algorithmen steuerten, was auf unseren Screens erscheint, und als uns unabhängige Medien mit Qualitätsjournalismus noch ausgewogen informierten. Kurz: Die gute alte Zeit, bevor das Internet die Öffentlichkeit und Medienstruktur erodiert hat.

Doch gab es diese gute alte Zeit jemals und kann alles, was politisch und gesellschaftlich zeitgleich mit der Weiterentwicklung des Internets passiert, kausal darauf zurückgeführt werden?

Verstärker, aber nicht Verursacher

Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt, dass sich die Krise der Massenmedien lange vor dem Aufkommen des Internets abgezeichnet hat. Seit der Erfindung der Druckerpresse dienten Zeitungen im Wesentlichen als Sprachrohr politischer Parteien, Gewerkschaften und Konfessionen. Als sich die Zeitungen Mitte des 20. Jahrhunderts immer stärker von ihren traditionellen Trägern lösten, mussten sie neue Finanzierungsmodelle finden. Um die Verkäufe zu maximieren, wurden Nachrichten deshalb vermehrt entsprechend der Aufmerksamkeit des Publikums aufbereitet und erhielten zunehmend einen Unterhaltungs-Charakter.

Mit dem Aufkommen des Internets und neuer interaktiver Onlinemedien haben sich diese Entwicklungen zwar verschärft, deren Ursache ist aber nicht darauf zurückzuführen. Onlinemedien sind blosse Verstärker und jüngste Form eines Prozesses, der sich bereits lange vor der Erfindung des Internets abzeichnete. Onlinemedien erweitern zwar das Themenspektrum öffentlicher Kommunikation, doch erhalten sie ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz erst durch die Selektion der Massenmedien. Deshalb stehen Onlinemedien nicht in einem konkurrierenden Verhältnis zu den Massenmedien, sondern ergänzen sie: Beide Formen des Medienangebots werden aufeinander abgestimmt und werben für einander.

Kein Digital ohne Analog

Dass dem so ist, zeigen verschiedene Mediennutzungsstudien aus Österreich, Deutschland und der Schweiz: Das gesamthaft genutzte Medienrepertoire einzelner Personen besteht nur selten ausschliesslich aus Onlinemedien, und es sind oft aus der Offline-Welt bekannte Nachrichtenoutlets, welche online auf Anklang stossen. Wissenschaftler der Harvard University konnten zudem deutlich machen, dass Onlinemedien ihre Wirkungskraft erst in Kombination mit traditionellen Massenmedien entfalten und Forschungsresultate vom Leibniz Institut für Medienforschung zeigen, dass sich individualisierte Online-Suchergebnisse nicht stark vom Mainstream unterscheiden.

Es lässt sich festhalten, dass nicht alles, was gleichzeitig mit der Weiterentwicklung des Internets passiert, darauf zurückgeführt werden kann. Daran ist zu erinnern, wenn das Internet und seine gesellschaftsprägenden Einflüsse am Stammtisch wieder einmal verteufelt werden. Wenn Menschen die Vergangenheit glorifizieren, liegt das häufig daran, dass die Erinnerung gnädig ist. Im Rückblick erscheint vieles schöner, als es war. Dies galt auch schon für die alten Medien, als sie einst neu waren. Und es gilt heute noch für das Internet und digitale Medien. Nostalgie hin oder her: Es war früher nicht alles besser und das Internet ist nicht an allem schuld.

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