Damit wir wissen, womit wir unsere Kinder einst belügen werden.
Elena Oberholzer, Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften (Text & Bilder)
Sich voller Angst vor dem unbekannten bärtigen Mann in Rot hinter dem Sofa verstecken, sich dann doch trauen, ein Gedicht aufzusagen oder ein Lied vorzusingen und schlussendlich mit grossen Augen den Beutel anstarren, aus welchem allerlei Köstlichkeiten gezaubert werden – so erlebte ich als Kind den 6. Dezember.
Der Samichlaus und sein für meinen Geschmack etwas zu ruhigen Helfer Schmutzli statteten uns jedes Jahr einen Besuch ab. In meiner Kinderfantasie war der Nikolaus ein Mann mit riesigen Ohren. Nur so konnte ich mir nämlich erklären, warum er immer so genau wusste, was ich das Jahr über alles angestellt hatte. Ich stellte mir vor, wie er samt Esel und Schmutzli in einer Hütte im Wald lebte, mit seinen grossen Ohren die Kinder überwachte und wartete, bis das Kalenderblatt wieder den 6. Dezember zeigte.
Der gutherzige Bischof von Myra
Der Bischof Nikolaus, auf welchen der christliche Brauch des Nikolaustags zurückzuführen ist, stammt jedoch nicht aus dem Wald, sondern aus Myra, einer Stadt in der heute türkischen Provinz Antalya. Laut christlicher Überlieferung wurde er um 270 nach Christus geboren. Schon in jungen Jahren weihte sein Onkel ihn zum Priester. Als Nikolaus Eltern starben, hinterliessen sie ihm ein grosses Vermögen.
Bekannt war der wohlhabende Bischof vor allem für seine grosse Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen und Bedürftigen. Es gibt unzählige Legenden darüber, wie er auf die ein oder andere Weise Menschen in Not geholfen haben soll. Der 6. Dezember gilt als Todestag des Bischofs Nikolaus von Myra. In Andenken an den gutherzigen Bischof von Myra begannen die Menschen deshalb damit, sich am 6. Dezember gegenseitig zu beschenken.
Nikolaus treuer Begleiter
Wie Nikolaus seinen treuen Helfer – an einigen Orten in der Schweiz Knecht Ruprecht an anderen Schmutzli genannt – gefunden hat, ist noch undeutlicher als die Legende des Heiligen selbst. Vermutlich entstand der Brauch des bösen Helfers irgendwann im Mittelalter. Traditionell trägt der Knecht Ruprecht eine Rute bei sich und bestraft diejenigen Kinder, welche sich das Jahr über unartig aufgeführt haben.
An den meisten Orten in der Schweiz wird der Schmutzli in seinem braunen Gewand zwar immer noch etwas mürrisch und wortkarg dargestellt, ist aber grundsätzlich zum fleissigen Diener des Samichlaus geworden, welcher die Kinder mit Leckereien versorgt.
Vom Heiligen zum Werbestar
Heute steht der Samichlaus Anfang Dezember vor dem Supermarkt, um Werbebroschüren zu verteilen, hinter dem Glühweinstand am Weihnachtsmarkt und überall sonst, wo vorweihnachtliche Stimmung verbreitet werden soll. Die christliche Heiligenfigur wurde zum Helden des weihnachtlichen Kommerz-Wahnsinns.
Eine entscheidende Rolle spielte dabei der Getränkehersteller CocaCola, welcher mit seiner im Jahre 1931 erstmals veröffentlichen Werbekampagne unser Bild des Sankt Nikolaus zu prägen begann. Der amerikanische Illustrator Haddon Sundblom entwarf über dreissig Jahre hinweg jedes Jahr einen neuen «Santa Claus». Gewisse Merkmale blieben jedoch immer gleich: Der rote Mantel, der weisse Bart, die mollige Figur und die roten Backen. Zuvor wurde der Heilige Nikolaus je nach dem im blauen, goldenen oder roten Mantel beschrieben und auch der lange weisse Bart war nicht unbedingt kennzeichnend für sein Aussehen.
Santa Claus, Papa Noël, Sinterklaas – je nach Land trägt der Mann, welche unsere Weihnachtszeit so stark geprägt hat, einen anderen Namen. Und auch das genaue Brauchtum unterscheidet sich von Region zu Region. In den USA beispielsweise wird nicht der Nikolaustag am 6. Dezember gefeiert, sondern Santa Claus hat seinen Auftritt am Weihnachtstag selbst. Dann fliegt er mit seinem Schlitten durch die Nacht, rutscht durch die Kamine in die Häuser und legt den Kindern ihre Geschenke unter den Weihnachtsbaum.