VERZICHT ODER FÜLLE?

Eine lokale Ernährung zu bewerkstelligen ist in unserer globalisierten Gesellschaft gar nicht so einfach. Und sowieso: Ist das überhaupt der richtige Weg? Unsere Autorin verbindet ein Gedankenexperiment mit einem Selbstexperiment – und berichtet von blauen Kartoffeln und der «Camellia sinensis var».

Samea Matter, Kulturwissenschaften (Text)
Elena Keller (Illustration)

Wir schreiben das Jahr 2055, Kalenderwoche 17. Schon das dritte Erdbeben diesen Monat. Die Schweiz hat sich nun endgültig von der Kontinentalplatte getrennt und treibt auf dem offenen Meer. Es geht um Leben und Tod. Es herrscht Chaos. Das Essen wird knapp. Es ist Zeit für eine radikale Umstellung.

Doch was haben wir für ein Glück! Unsere Wiesen sind grün und saftig. Es gibt genug Wasser für alle. Unser Land ist fruchtbar und ausserdem haben wir viel Erfahrung mit schweizerischem Lebensmittelanbau. Wir haben Gemüse, Obst, Beeren, Knollenfrüchte, Pilze, Getreide, Kräuter, Kühe, Hühner, Schafe, Schweine, Fische und vieles mehr. Auch an schweizerischem Salz mangelt es nicht. Auf Öl ist ebenfalls nicht zu verzichten: Sonnenblumen-, Kürbiskern-, Lein- oder Rapsöl können Olivenöl nämlich problemlos ersetzen. Gehen wir es also an: Macht man sich bei Morgenstunde auf den Weg zu einem der zahlreichen Lebensmittelmärkten, eröffnet sich einem eine Vielfalt an Gemüsearten.
Da gibt es gelbe Zucchetti, weisse Auberginen, blaue Kartoffeln. Aufgestellte Bauern erzählen Geschichten von der Rande mit weissen Ringen namens «Chioccia», die bis im Winter aufbewahrt wird und doch noch schmeckt wie frisch gepflückt.

Es sollte für die Schweiz also durchaus möglich sein, auf eigenen Beinen zu stehen. An
Artenvielfalt mangelt es auf unserer kleinen Insel nämlich nicht. Auch wenn die Schweiz im Notfall ohne Importe auskommen müsste, wäre dies laut einer Studie von «Agroscope» zu gewährleisten. Doch leider müssten wir uns von der Schokolade, unserem Nationalstolz, endgültig verabschieden. Und wären die Schweizerinnen und Schweizer wohl immer noch so tüchtig, ohne einen Kaffee am Morgen? Machen wir uns auf die Suche nach Alterna­tiven: Grüntee enthält neben anderen wertvollen Inhaltsstoffen auch einen grossen
Anteil des sogenannten «Teein» und zeigt somit eine ähnlich wachmachende Wirkung wie Kaffee. «Camellia sinensis var» ist der Name der Grünteeplanze. Sie stammt aus China, jedoch ist es nicht unmöglich, sie auch in der Schweiz anzupflanzen: Die Blätter sind ausserordentlich robust. Die eine oder andere Teeplantage gibt es auch bei uns. Da diese aber noch eher selten sind, empfiehlt es sich, etwas mehr Zeit zum Schlafen einzuplanen.

Superfoods von Um-die-Ecke

Heute ist es bei vielen zur Gewohnheit ge­worden, Chia-Samen ins Müsli zu mixen
oder Quinoa-Salat mit Avocado als Beilage zu servieren. Dies mag zwar gesund sein, jedoch gibt es Alternativen, die genauso gesund sind und einen viel kürzeren Weg zurücklegen müssen, um bei uns auf dem Teller zu landen. Verzichten muss man einzig auf den zur Gewohnheit gewordenen Geschmack. Es gilt abzuschätzen, was man nun mehr gewichtet. Die aufgeführten Lebensmittel sollen einen Überblick lokaler Superfoods bieten sowie ihre Qualitäten hervorheben.

Zeit und Winter machen es nicht einfach

Die morgendlichen Ausflüge auf die lokalen Märkte bieten einen super Start in den Tag und das frisch zubereitete Essen schmeckt doppelt so gut. Doch wie viele von uns finden wirklich die Zeit dazu? Denn eins ist klar, lokal ernähren bedeutet hauptsächlich den Kochlöffel selbst zu schwingen und dabei eine Prise Kreativität beizumischen. Ausserdem sieht die Situation im Winter schon wieder anders aus. Greift man nicht nach Saisonalem, macht es nicht wirklich Sinn, lokale Produkte im Treibhaus anzubauen oder einen lokal produzierten Apfel das halbe Jahr im Kühlhaus zu lagern. Fakt ist, dass ein frisch geernteter Apfel, der durch die halbe Welt transportiert wurde, oft weniger Energie verbraucht als der lokal gelagerte.

Das Wichtigste:
Augen auf und Köpfchen einschalten!


Was hat mich dieses Selbstexperiment also gelehrt? Es ist gar nicht so einfach, eine richtige Verhaltensweise zu definieren. Hingegen ist es mir gelungen, mit offenen Augen einzukaufen. Will heissen: Mir die Lebensmittel und ihre Herkunft samt all den damit verbundenen Konsequenzen vor Augen zu führen und konkret kennenzulernen, achtsam zu sein und der ganzen Diskussion Gewicht und Bedeutung zukommen zu lassen.
Macht mit, macht die Augen auf!

Einkaufsorte in Luzern für eine lokale Ernährung

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