Klimajugend – ein Bewusstsein für Veränderbarkeit

Manche nennen sie radikal. Andere sehen sie progressiv. Beiden Darstellungen gemein scheint allem voran eines: Sie anerkennen, dass der Bewegung ein Bewusstsein für die Veränderbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse innewohnt.

Jonathan Biedermann, BA Philosophy, Politics and Economics (Text & Bild)

Als radikal werden die Klimastreikenden dann dargestellt, wenn auf die wohlstandsgefährdenden Folgen ihrer Forderungen hingewiesen wird. So hätte die zweite der drei Forderungen der Klimajugend, die CO2­Emissionen der Schweiz bis 2030 auf netto Null zu senken, Einbussen in Logistik und Mobilität zur Folge, schreibt etwa die SVP auf ihrer Website. Unterdessen werfen die Freisinnigen der Bewegung insofern Radikalität vor, als dass mit ihren Forderungen die verschiedenen Interessen von Seiten Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft schlecht ausbalanciert seien.

Was fordert die Klimajugend?

Auf climatestrike.ch sind die Forderungen der Jugendlichen aufgelistet:

• Die Schweiz soll den «nationalen Klimanotstand» ausrufen und damit «die Klimakatastrophe als zu bewältigende Krise» anerkennen.

• Die Schweiz soll «bis 2030 im Inland netto null Treibhausgasemissionen ohne Einplanung von Kompensationstechnologien» verursachen.

• «Klimagerechtigkeit».

Progressivität wird den Klimastreikenden dann zugeschrieben, wenn generell auf die tiefgreifenden Veränderungen, die von ihnen gefordert werden, verwiesen wird. Ihre Forderungen an die Politik beinhalten denn zum Beispiel eine Art «Notwendigkeitsklausel»: Falls den Zielen ihrer Forderungen «im aktuellen System nicht nachgekommen werden kann, braucht es einen Systemwandel». So unpräzise diese Aussage auch sein mag, sie zeugt von einem Bewusstsein für die Veränderbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse, inklusive politischer oder ökonomischer Strukturen.

Ob nun progressiv oder radikal: Für die junge Generation scheint klar zu sein, dass die Umstände, in denen Menschen heute aufwachsen, veränderbar sind. Sie traut sich, als selbstverständlich geltende Strukturen zu hinterfragen und scheut sich überdies nicht, es öffentlich zu machen. Von dieser Einstellung könnten sich manche Erwachsene eine Scheibe abschneiden. Die Frage nach der Gesinnung hinsichtlich marktwirtschaftlicher Systeme gleicht selbst in der ökonomischen Lehre und Forschung einer Gretchenfrage. In der Klimastreik­Bewegung wird offen darüber diskutiert.

Gesellschaftliche Verhältnisse werden in der breiten Öffentlichkeit häufi g als selbstverständlich wahrgenommen. Durchaus menschengemachte ökonomische Strukturen beispielsweise, wozu hier das westliche marktwirtschaftliche System hinzugezählt werden soll, gelten plötzlich als «naturgegeben». Nun werden sie erneut als abhängige Variable in die Diskussion integriert. Die Frage In welcher Welt will ich leben? erhält so einen emanzipatorischen Charakter: Sie ermöglicht einer ganzen Generation, sich mit den ihr auf den Weg gegebenen Umständen auseinanderzusetzen.

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